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30.04.2013

Klimawandel und Wirtschaft Der Klimawandel wird sich künftig verstärkt auf die Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen auswirken. Wie greift die Wirtschaft den Klimawandel auf?

Hochwasserschutz in NRW – die dynaklim-Region stellt sich auf die Folgen des Klimawandels ein

Durch die erwarteten Änderungen des Klimawandels hinsichtlich Regenintensität und -dauer werden sich die Wiederkehrhäufigkeiten (Jährlichkeiten) von Hochwasserereignissen verändern. Damit verbunden sind höhere zu erwartende Schäden. Trotz der Unsicherheiten, die mit den Klimaprojektionen verbunden sind, sind sich die Experten sicher, dass bestehende Hochwasserschutzanlagen zukünftig einen höheren Schutz bieten müssen und / oder Maßnahmen in bisher nicht betroffenen Gebieten erforderlich sein werden.
 Weitere Informationen auf www.dynaklim.de

© Michael Schütze/fotolia

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Soll das bislang bestehende Schutzniveau erhalten bleiben, geht mit den höheren Schadenserwartungswerten die Notwendigkeit von geeigneten Anpassungsmaßnahmen einher. Diese werden die handelnden Akteure sowohl vor technische als auch vor weitere finanzielle Herausforderungen stellen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt dynaklim („Dynamische Anpassung regionaler Planungs- und Entwicklungsprozesse an die Auswirkungen des Klimawandels in der Emscher-Lippe-Region (Ruhrgebiet)“ beschäftigt sich intensiv mit diesen Fragestellungen in der Emscher-Lippe-Region: Mit welchem Anstieg der Schadenserwartungswerte ist zu rechnen? Mit welchen Maßnahmen kann diesen Entwicklungen in der Emscher-Lippe-Region begegnet werden? Welches Schutzniveau wird in der Region vor dem Hintergrund der Entwicklungen zukünftig gewünscht? Wie hoch sind die Kosten für diese Maßnahmen und wer muss sie tragen?

Hochwasserrisiko

Als Grundlage der Analyse der Hochwasserschäden dienen die Hochwasseraktionspläne für Emscher und Lippe (Emschergenossenschaft 2004; Hydrotec 2002). Das Hochwasserrisiko ergibt sich aus dem Produkt der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadensereignisses und dem dabei entstehenden Schaden (Hecht u.a. 2011). Zur Quantifizierung der Schäden werden für unterschiedlich häufig auftretende Überschwemmungen die schadenskritischen Überschwemmungshöhen und die relevanten Vermögenswerte von Gebäuden, Infrastrukturen, Flächen usw. erfasst. Die hieraus abgeleiteten Durchschnittswerte ermöglichen die Berechnung von Hochwasserrisiken als Eintrittswahrscheinlichkeit (1/Jährlichkeit) multipliziert mit dem entstehenden Schadenswert eines Ereignisses (=Schadenserwartungswert). So ergibt sich etwa für ein 20-jähriges Niederschlagsereignis eine Überschwemmungswahrscheinlichkeit von 5 %. Da die Region durch unterschiedlich häufig auftretende Hochwasserereignisse bedroht wird, muss eine Berechnung der Hochwasserrisiken diese multiplen Gefahren berücksichtigen (vgl. Beyene 2001; Kersting/Werbeck 2012). Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Jährlichkeiten ergibt sich der gesamte Schadenserwartungswert (Risiko) aus der Fläche unter der Kurve in Abbildung 1.

Abbildung 1 Schadenserwartungswert (SEW); Quelle: eigene Darstellung RUFIS (Schadenshöhe Sn bei Hochwasserereignis HQn und Unterschreitenswahrscheinlichkeit F = 1-1/n)

Abbildung 1 Schadenserwartungswert (SEW); Quelle: eigene Darstellung RUFIS (Schadenshöhe Sn bei Hochwasserereignis HQn und Unterschreitenswahrscheinlichkeit F = 1-1/n)

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Klimawandelbedingte Erhöhung des Hochwasserrisikos

Um zu ermitteln, wie sich das Hochwasserrisiko allein durch den Einfluss des Klimawandels ändert, wird in der Berechnung auf die Ceteris-paribus-Annahme zurückgegriffen, d.h. alle anderen Einflussgrößen wie z. B. Flächennutzung und Vermögenswerte werden konstant gehalten. Entsprechend wird die Annahme getroffen, dass identische Überschwemmungshöhen künftig auch gleich hohe Schäden verursachen werden. Eine Änderung des Hochwasserrisikos ergibt sich somit allein durch eine Änderung der Häufigkeit dieser Ereignisse.

Basis für die Änderung der Häufigkeiten sind die regionalen Niederschlagsdaten auf Basis der beiden Hauptläufe des Klimamodells CLM (Climate Local Model) für das dynaklim-Gebiet (Quirmbach u.a. 2012). Es zeigt sich, dass unter Zugrundelegung der zu erwartenden Niederschläge für die nahe Zukunft (2021-2050) ein bisher 100-jähriges Niederschlagsereignis nach CLM 1 statistisch alle 37 Jahre, nach CLM 2 alle 47 Jahre auftreten wird. Werden diese Änderungen auf die Hochwasserereignisse übertragen, ergibt sich in Abbildung 2 (links) eine Verschiebung hin zu einer höheren Eintrittswahrscheinlichkeit (blaue Pfeile).

Abbildung 2 Änderung des Schadenserwartungswertes (SEW); Quelle: eigene Darstellung RUFIS (Schadenshöhe Sn bei Hochwasserereignis HQn und Unterschreitenswahrscheinlichkeit F = 1-1/n)

Abbildung 2 Änderung des Schadenserwartungswertes (SEW); Quelle: eigene Darstellung RUFIS (Schadenshöhe Sn bei Hochwasserereignis HQn und Unterschreitenswahrscheinlichkeit F = 1-1/n)

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Abbildung 2 (rechts) zeigt den für die Zukunft ermittelten Schadenserwartungswert: Der Vergleich mit dem gegenwärtigen Schadenserwartungswert ermöglicht die Identifikation der klimawandelbedingten Änderung des Hochwasserrisikos (entsprechend der blauen Fläche).

Kosten des Klimawandels und Nutzen von Schutzmaßnahmen

Wenn keine Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels erfolgen, ist in der dynaklim-Region ein Anstieg an zusätzlichen Schäden zu erwarten. Einer Maßnahme, die zusätzliche Überschwemmungsrisiken verhindert, kann ein Nutzen in Höhe der vermiedenen Risiken zugewiesen werden (Abbildung 3).

Abbildung 3 Nutzen aus vermiedenem Schadenserwartungswert (SEW); Quelle: eigene Darstellung RUFIS

Abbildung 3 Nutzen aus vermiedenem Schadenserwartungswert (SEW); Quelle: eigene Darstellung RUFIS

Untersuchungen in dynaklim haben ergeben, dass an der Emscher mit einem klimwandelbedingten Anstieg des Hochwasserrisikos von 110 bis 170 % und von 60 bis 80 % an der Lippe gerechnet werden muss. Die Kosten für zusätzliche Maßnahmen zur Vermeidung dieser Risiken sollten aus ökonomischer Sicht den Nutzen, der durch diese Maßnahmen erwartet wird (erreichte Minderung zukünftiger Schäden), nicht übersteigen. In dynaklim wurden die klimawandelbedingten Hochwasserrisiken für die Hauptläufe von Emscher und Lippe kalkuliert (Kersting/Werbeck 2012). Die beschriebene Vorgehensweise ist auf andere Regionen übertragbar. Eine Betrachtung der Anpassungsmaßnahmen erfolgt im weiteren Projektverlauf.

Zuständigkeiten in Nordrhein-Westfalen

Die erwarteten Auswirkungen des Klimawandels werden wie aufgezeigt die Anforderungen, die bereits im Status quo an die hochwasserschutzpflichtigen Akteure gestellt werden, erhöhen. In der Bundesrepublik zählt die Hochwasserschutzpflicht zum Aufgabenportfolio der jeweiligen Bundesländer. In den Landeswassergesetzen (LWG) regeln die Länder die Zuständigkeiten im Detail. Für Nordrhein-Westfalen (NRW) legt §108 des LWG fest: „(2) Deiche [Dämme, …] sind von demjenigen zu unterhalten, der sie errichtet hat[...]“ und „(5) Die Aufwendungen für Unterhaltung und Wiederherstellung von Deichen sind nach dem Maß ihres Vorteils von denjenigen zu tragen, deren Grundstücke durch den Deich geschützt werden; [...]“. In NRW heißt das für den Vollzug, dass die Bezirksregierungen als zuständige Behörden in der Regel als Aufsichtsbehörden fungieren, die operative Hochwasserschutzpflicht jedoch von verschiedenen Akteuren vor Ort auf lokaler/regionaler Ebene ausgeführt wird (Abbildung 4).

Abbildung 4 Zuständigkeiten der Hochwasserschutzpflicht in NRW, Quelle: eigene Darstellung FiW

Abbildung 4 Zuständigkeiten der Hochwasserschutzpflicht in NRW, Quelle: eigene Darstellung FiW

Die Zuständigkeit für den Hochwasserschutz liegt in NRW grundsätzlich bei den Kommunen oder Deichverbänden. Die Deichverbände haben in NRW eine lange Tradition und sind entsprechend der heute geltenden Rechtslage Wasser- und Bodenverbände, die u. a. den Hochwasserschutz eigenverantwortlich wahrnehmen und als solche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Überall dort in NRW, wo kein Deichverband ansässig ist, obliegt die Hochwasserschutzpflicht zunächst den Kommunen. Die Kommunen vor Ort können dabei durch kommunale Ämter und Ähnliche die Hochwasserschutzpflicht in Eigenverantwortung ausüben oder diese auf andere öffentlich-rechtliche Akteure übertragen. In der Regel erfolgt im letzteren Fall eine Übertragung auf Anstalten des öffentlichen Rechts (bspw. Stadtentwässerungsbetriebe) oder auf Körperschaften des öffentlichen Rechts, bspw. die sondergesetzlichen Wasserverbände (Hornscheidt/Schneider 2012).

Finanzierung und Kostenumlage

Je nach Art und Schutzgrad beteiligt sich das Land NRW in der Regel mit bis zu 80 % (in Ausnahmen auch 100 %) an den Kosten der Hochwasserschutzmaßnahme ¬– beispielsweise auf Grundlage der „Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen für Maßnahmen des Wasserbaus einschl. Talsperren“. Die Restfinanzierung und Umlage dieser Kosten liegt im Aufgabenbereich der hochwasserschutzpflichtigen Akteure. Die Art und Weise der Umlage hängt wesentlich davon ab, wer vor Ort tatsächlich die Hochwasserschutzpflicht ausübt. Liegt der Hochwasserschutz in der Zuständigkeit einer Kommune, werden die Maßnahmen in der Regel durch den allgemeinen Haushalt finanziert, insofern findet keine Umlage nach dem Vorteilsprinzip (d.h. nur wer Vorteile aus der Durchführung einer Hochwasserschutzmaßnahme hat, ist verpflichtet, zur Kostendeckung beizutragen) wie bspw. auf Grundlage eines Flächenmaßstabs (bezogen auf die Grundfläche der geschützten Grundstücke/Gebäude) statt. Wird die Hochwasserschutzpflicht hingegen von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Deichverband, Wasserverband) wahrgenommen, so findet in der Regel auch eine Kostenumlage unter Beachtung des Vorteilsprinzips statt. Die Deichverbände regeln weiterhin eine Zwangsmitgliedschaft für die durch Maßnahmen geschützten Anlieger im Verbandsgebiet. In den Veranlagungsregeln der einzelnen Körperschaften wird dabei überwiegend ein Flächenmaßstab als relevanter Parameter herangezogen. Beitragsmaßstäbe sind in der Regel für die durch Hochwasserschutzmaßnahmen geschützten Grundstücke der ungekürzte Grundsteuermessbetrag (dieser wird vom zuständigen Finanzamt festgelegt und von der Gemeinde zur Berechnung der Grundsteuer verwendet; der Grundsteuermessbetrag errechnet sich aus dem Produkt aus Einheitswert und Grundsteuermesszahl), der Einheitswert oder die Grundfläche der betroffenen Grundstücke/Gebäude (Hornscheidt/Schneider 2012).

Für den Hochwasserschutz in NRW stellt sich mit Blick auf die zukünftigen Herausforderungen die Frage, welchen Akteuren im politischen Mehrebenensystem (Bund, Land, Bezirksregierung, Kommunen) die Hochwasserschutz- bzw. die Unterhaltungspflicht für Hochwasserschutzanlagen zukünftig obliegen soll? Sind die vorhandenen Strukturen in NRW mit teilweise sehr kleinräumigen Zuständigkeitsbereichen (siehe Abbildung 5 oben) und zahlreichen beteiligten Akteuren für die erwarteten gesteigerten Herausforderungen noch sinnvoll? Oder bietet eine Verringerung der Anzahl der beteiligten Akteure oder eine Vergrößerung der Zuständigkeitsräume, wie dies bspw. in Bayern der Fall ist, die Chance, sowohl Koordinations- und Abstimmungsprozesse als auch Finanzierungsprozesse zu vereinfachen (siehe Abbildung 5 unten)? Des Weiteren sind die aktuellen Finanzierungsinstrumente für Hochwasserschutzmaßnahmen und die Möglichkeiten der Kostenumlage für die Hochwasserschutzpflichtigen hinsichtlich der klimawandelbedingten Mehrbelastung zu untersuchen. Reichen die aktuellen Möglichkeiten aus oder besteht hier ein weitergehender Bedarf? Mit der Entwicklung von Lösungsansätzen für diese Forschungsfragen wird sich dynaklim bis zum Projektende befassen.

Abbildung 5 Varianten der Zuständigkeitsbereiche beim Hochwasserschutz in NRW, Quelle: eigene Darstellung FiW

Abbildung 5 Varianten der Zuständigkeitsbereiche beim Hochwasserschutz in NRW, Quelle: eigene Darstellung FiW

Autoren
Autoren Palm
Dr. Natalie Palm
Jens Schneider M.A. Forschungsinstitut für Wasser- und Abfallwirtschaft, FiW, an der RWTH Aachen
Autoren Kersting
Dr. Michael Kersting
Ruhr-Forschungsinstitut für Innovations- und Strukturpolitik, (RUFIS e.V.)

Autoren Werbeck
Dr. Nicola Werbeck
Ruhr-Forschungsinstitut für Innovations- und Strukturpolitik, (RUFIS e.V.)

Quellen