Bandbreiten regionaler Klimaprojektionen
Wie kommen Bandbreiten der Klimaprojektionen zustande?
Der Verlauf des Klimas kann nur unter bestimmten Annahmen in die Zukunft projiziert werden. Die Gesamtheit solcher Projektionen spannt für jede Region eine Bandbreite möglicher Änderungen auf.
Die Bandbreite entsteht zum einen durch verschiedene Annahmen über mögliche zukünftige sozioökonomische Entwicklungen und die daraus folgenden atmosphärischen Konzentrationen anthropogener Treibhausgase und Aerosole. Des Weiteren kann aber auch innerhalb eines Szenarios nur eine Bandbreite möglicher Klimaänderungen gegeben werden.
Diese Bandbreite innerhalb eines Szenarios beruht zum einen auf der natürlichen, system-immanenten Variabilität des Klimas, zum anderen entsteht sie aber auch durch Unsicherheiten der Modellierungsmethoden. Während die natürliche Variabilität unvermeidbar ist, können Modellierungsunsicherheiten durch Forschung reduziert werden. Im Folgenden werden die Quellen der Unsicherheit und die daraus resultierenden Bandbreiten kurz erläutert:
1. Bandbreite durch Szenarien
Die zukünftige Entwicklung der Emissionen bzw. atmosphärischen Konzentrationen von klimawirksamen Treibhausgasen und Aerosolen kann nicht vorhergesagt werden, sie kann nur für verschiedene Annahmen zur Entwicklung der Bevölkerung, der Weltwirtschaft und des technologischen Fortschritts projiziert werden. Dazu wurden Szenarien entwickelt, die bestimmte zeitliche Verläufe von Treibhausgasemissionen bzw. atmosphärischer Treibhausgaskonzentrationen liefern, die den Klimamodellen als Randbedingung vorgegeben werden. Die Szenarien, welche den Klimaprojektionen des 4. Sachstandsberichts des IPCC zugrunde liegen, sind als SRES Szenarien (Special Report on Emission Scenarios, link) bekannt. Den Klimaprojektionen des 5. Sachstandsberichts des IPCC wurden Szenarien in Form von Repräsentativen Konzentrationspfaden (RCPs) vorgegeben. Weitere Erläuterungen zu den SRES und RCP Szenarien finden sich im Dossier Treibhausgas- und Emissionsszenarien.
Siehe Dossier Treibhauseffekt und Emissionsszenarien
Abbildung 1 (unten) zeigt die globale Temperaturentwicklung in Abhängigkeit von unterschiedlichen SRES und RCP Szenarien. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts reicht die Bandbreite beider Szenariensysteme von etwa +1 °C bis +4 °C.
2. Bandbreite durch natürliche Klimavariabilität
Die natürliche Klimavariabilität entsteht zum einen durch externe Einflüsse wie Schwankungen der Solarstrahlung oder Ereignisse wie Vulkanausbrüche. Zum anderen entsteht sie durch natürliche Prozesse innerhalb des Klimasystems und durch Wechselwirkungen zwischen seinen Komponenten wie z. B. zwischen Atmosphäre und Ozean. Diese Wechselwirkungen sind oft nicht linear und führen dazu, dass schon sehr geringe Änderungen im Ausgangszustand große Auswirkungen haben können. Dieses für komplexe und chaotische System charakteristische Verhalten wurde von Lorenz (1963) erstmals beschrieben. Die Bandbreite durch natürliche Klimavariabilität ist eine direkte Konsequenz des chaotischen Charakters des Klimasystems. Das bedeutet für die Klimamodellierung, dass die natürliche interne Variabilität abgeschätzt werden kann, indem mehrere Simulationen durchgeführt werden, die sich nur in ihren Anfangsbedingungen, d.h. den Werten der Komponenten des Klimasystems zum Startzeitpunkt der Modellsimulation, etwas unterscheiden. Die Ergebnisse solcher Simulationen liegen dann innerhalb einer gewissen Bandbreite, da der vorhersagbare Anteil des Klimasystems völlig zufällige Ergebnisse verhindert.
In regionalen Klimaprojektionen prägt sich die aus den globalen Simulationen übernommene interne Klimavariabilität regional unterschiedlich aus. Auch im regionalen Klimasystem gibt es nicht-lineare Prozesse, die in Regionalmodellen zu zusätzlicher interner Variabilität führen können. Es wurden verschiedene Methoden verwendet, um den Anteil der internen Klimavariabilität, der allein von den Regionalmodellen simuliert wird, abzuschätzen (Alexandru et al. 2007, Lucas-Picher et al. 2008, Nikiema et al. 2010, Sieck 2013). Diese zusätzliche interne Variabilität in Regionalmodellen spielt allerdings auf der Zeitskala von mehreren Jahrzehnten im Vergleich zu der in Globalmodellen abgebildeten großskaligen Variabilität im Klimasystem nur eine untergeordnete Rolle.
3. Bandbreite durch Unsicherheiten der Modellierungsmethoden
Die Unsicherheiten der Modellierungsmethoden sind grundsätzlich von den systemimmanenten Unsicherheiten durch natürliche Klimavariabilität zu unterscheiden. Sie können prinzipiell durch Forschung zur Verbesserung der Methoden verringert werden. Sie ergeben sich zum einen aus dem unvollständigen Wissen über Prozesse im Klimasystem, die somit auch in Klimamodellen unzureichend erfasst sind (z.B. Stainforth, 2007). Zum anderen entstehen sie durch unzureichende Beschreibung kleinräumiger Prozesse, die in den Modellen nicht exakt dargestellt, sondern über empirische Parametrisierungen annäherungsweise erfasst werden. Obwohl die meisten Klimamodelle dieselben physikalischen Prinzipien und die für Wetter und Klima relevanten Prozesse berücksichtigen, unterscheiden sich auch die mathematischen Beschreibungen dieser Prozesse sowie die verwendeten mathematischen Lösungsverfahren. Darüber hinaus können sich auch Simulationen eines Klimamodells für verschiedene gewählte Versionen des Klimamodells voneinander unterscheiden. Die gewählten Versionen können sich einerseits durch unterschiedliche Parametrisierungsansätze oder auch durch leicht veränderte Ansätze unterscheiden (z.B. Murphy et al. 2009).
Für Regionalmodelle spielen beispielsweise Größe, Gitterauflösung und Lage des Modellgebiets eine wesentliche Rolle (z.B. Leduc and Laprise, 2009 und Vautard et al. 2013). Zusätzlich ist zu beachten, dass die Kombination aus Globalmodell und Regionalmodell auch als ein einziges zusammengesetztes Modell betrachten werden kann, und die Unsicherheiten somit sowohl aus dem Global- als auch aus dem Regionalmodell stammen. Um die Größe der Modellunsicherheit bestimmen zu können, werden die Ergebnisse unterschiedlicher und möglichst unabhängig voneinander entwickelter Klimamodelle verglichen und die Bandbreite der Ergebnisse bestimmt. Solche Untersuchungen von „Ensembles“ von Klimamodellen sind nur durch weltweite Zusammenarbeit möglich, da einerseits einzelne Forschungsgruppen den enormen Rechenaufwand für die vielen benötigten Klimasimulationen nicht leisten können und andererseits nur durch voneinander weitgehend unabhängige Modellentwicklung gewährleistet werden kann, dass auch die Fehler der Modelle voneinander möglichst unabhängig sind. Dadurch soll die Wahrscheinlichkeit gemeinsamer unbekannter Modellfehler, welche sich auf Klimaprojektionen gleichartig auswirken würden und in der Ensemble-Analyse unentdeckt bleiben würden, verringert werden.
Abb. 1: Entwicklung der globalen Temperatur für die SRES Szenarien A2, A1B und B1 (links) und die RCP Szenarien RCP2.6, RCP4.5, RCP6.0 und RCP8.5 (rechts), relativ zur Periode 1986-2005. Die dicke farbige Linie gibt den Mittelwert über alle CMIP3/CMIP5 Modelle, die mit dem jeweiligen Emissionsszenario angetrieben wurden an, die schattierten Bereiche kennzeichnen die entsprechende Standardabweichung. Die Zahl in Klammern gibt jeweils die Anzahl der Modelle an. Quelle: Knutti & Sedláček. (2013).
In Abbildung 1 ist die für jedes Szenario entstehende Bandbreite (ausgedrückt durch die Standardabweichung eines Multi-Modell Ensembles) der Temperaturprojektionen durch farbig schattierte Bereiche angedeutet.
Welches Gewicht besitzen die einzelnen Quellen der Bandbreite?
In den letzten Jahren wurden einige Arbeiten über die Bedeutung der einzelnen Quellen der Bandbreite in Klimaszenarien veröffentlicht. Einige wichtige Arbeiten in diesem Zusammenhang sind Hawkins und Sutton (2009, 2010), in denen die Komponenten Emissionsszenario, natürliche Variabilität und Modellunsicherheit untersucht werden, Prein et al. (2011), in der ähnliche Untersuchungen gezielt für Europa durchgeführt wurden und Déqué et al. (2007, 2012) in denen speziell auf den Vergleich der Bandbreiten globaler und regionaler Klimamodelle eingegangen wird.
In Abbildungen 2 und 3 ist eine Analyse der Bandbreitenkomponenten für Temperatur und Niederschlagsprojektionen über Europa dargestellt (Prein et al., 2011). Diese Analyse basiert auf allen im 4. Sachstandsbericht des IPCC verwendeten Simulationen (CMIP3, Meehl et al., 2007) mit den Emissionsszenarien A2, A1B und B1. Es ist deutlich zu sehen, dass die Modellunsicherheit (gelb) dominiert und dass der Einfluss der Emissionsszenarien (rot) erst gegen Ende des Jahrhunderts (rechts) bei Temperaturprojektionen (obere Reihe) stark zu tragen kommt. Der Einfluss der natürlichen Variabilität („internal“, türkis) liegt zwischen etwa 10 und 25 %.
[Diese Angaben beziehen sich auf 30-jährige Klimamittelwerte. In kürzeren Perioden (etwa Dekaden, wie sie in Hawkins und Sutton (2009; 2010) untersucht werden) ist der Einfluss der natürlichen Variabilität größer.].
Déqué et al. (2007, 2012) untersuchten die Bandbreite regionaler Klimamodelle in Vergleich zu globalen Klimamodellen über Europa und zeigten, dass in den meisten Fällen die Bandbreite der globalen Modelle überwiegt, außer im Sommer für Niederschlag. Der Anteil an der Bandbreite durch interne Klimavariabilität der Regionalmodelle selbst beträgt etwa 40 % während die restlichen 60% durch das antreibenden Globalmodell erzeugt werden (mit Variationen je nach Region, Saison und Parameter). Es ist zu beachten, dass die Abbildungen 2 und 3 relative Anteile bezogen auf die Gesamtunsicherheit zeigen. Aus den mit der Simulationszeit sinkenden relativen Anteilen der Modellunsicherheit kann nicht geschlossen werden, dass dieser tatsächlich kleiner wird. Im Gegenteil, in absoluten Zahlen gemessen, wird die Modellunsicherheit immer größer, je weiter die Simulation in die Zukunft reicht.
Abb. 2: Der relative Beitrag unterschiedlicher Komponenten zur Unsicherheit in Temperaturprojektionen über Europa im 30-jährigen Jahresmittel (annual), Winter (DJF), Frühling (MAM), Sommer (JJA) und Herbst (SON). Links: 2021 - 2050; Rechts: 2071 - 2100. Nach: Prein et al. (2011).( Anmerkung.: Die Autoren Prein et al. geben die Beiträge mit Nachkommastellen an. Dieses ist mathematisch korrekt, aber entspricht nicht einer entsprechenden Belastbarkeit)
Abb.3: Der relative Beitrag unterschiedlicher Komponenten zur Unsicherheit in Niederschlagsprojektionen über Europa im 30-jährigen Jahresmittel (annual), Winter (DJF), Frühling (MAM), Sommer (JJA) und Herbst (SON). Links: 2021 - 2050; Rechts: 2071 - 2100. Nach: Prein et al. (2011). (Anmerkung: Die Autoren Prein et al. geben die Beiträge mit Nachkommastellen an. Dieses ist mathematisch korrekt, aber entspricht nicht einer entsprechenden Belastbarkeit)
Eine direkte Schlussfolgerung dieser Studien ist, dass es für die mittelfristige Klimafolgenforschung (Zeithorizont bis 2050) wichtig ist, mit den Ergebnissen möglichst vieler unterschiedlicher Klimamodelle zu arbeiten, um die Bandbreite der erwarteten Klimaänderung nicht zu unterschätzen. Die Analyse unterschiedlicher Emissionsszenarien spielt innerhalb dieses Zeithorizonts eine eher untergeordnete Rolle. Erst in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts wird es wichtig, die Effekte unterschiedlicher Emissionsszenarien im Detail zu betrachten.
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Dr. Andreas Gobiet
Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Wien
Dr. Frank Kreienkamp
ehemals: Climate & Environment Consulting (CEC), Potsdam
Dr. Susanne Pfeifer
Climate Service Center Germany (GERICS), Hamburg
Dr. Diana Rechid
Climate Service Center Germany (GERICS), Hamburg
Arne Spekat
Climate & Environment Consulting (CEC), Potsdam
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