Land-Ökosysteme: Böden, Pflanzen und Tiere
Sauberes Grundwasser, Bestäubung von Obstbäumen oder Hangstabilität sind für uns essenzielle Ökosystemleistungen. Eine Beeinträchtigung ihrer Funktionalität und Stabilität hätte tiefgreifende Konsequenzen für Wirtschaft und Gesellschaft.
© RicMei
Klimaänderungen haben in der Erdgeschichte immer tiefgreifende Konsequenzen für Ökosysteme gehabt. Die Wälder Nord- und Mitteleuropas wurden beispielsweise während der Eiszeiten mehrfach massiv zurückgedrängt und mussten sich in den Warmzeiten jeweils neu etablieren, was zu großen Artenverlusten führte. Die ökologische Anpassung an solche Klimaänderungen beanspruchte einen Zeitraum von Jahrtausenden. Der anthropogene Klimawandel vollzieht sich deutlich schneller. Auch aufgrund der unterschiedlichen ökologischen Rahmenbedingungen können die Erkenntnisse aus der erdgeschichtlichen Entwicklung kaum auf die aktuelle und zukünftige Vegetationsdynamik übertragen werden. Wegen des hohen Komplexitätsgrades der Biosphäre können bisher keine konkreten Auswirkungen des Klimawandels auf Ökosysteme vorhergesagt werden. Allenfalls lassen sich großräumige Übersichten über die Verschiebung von Vegetationszonen und die Biomasseentwicklung ableiten.
Böden werden maßgeblich durch Temperatur und Niederschlag beeinflusst. Erwärmung und Niederschlagsänderungen wirken sich auf den Wasser- und Wärmehaushalt der Böden aus, steuern die Aktivität der Bodenorganismen und beeinflussen den (Nähr-) Stoffhaushalt.
Screenshot auf Tabelle 6.1 https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-55379-4_6
Die Auswirkungen unterscheiden sich jedoch je nach Bodentyp und -eigenschaften. Böden mit geringem Wasserspeichervermögen und geringer Wasserleitfähigkeit sind besonders trockenheitsgefährdet. Die gute Wasserspeicherfähigkeit der Marschen würde auch bei abnehmendem Niederschlag eine gute Wasserversorgung und -nachlieferung ermöglichen. Auf den Auenböden der Elbe kann sich jedoch bei einer möglichen Zunahme der Sommertrockenheit Trockenstress für Pflanzen vor allem in den Monaten Juli bis November deutlich ausprägen. Niederschlagszunahmen führen an wasserdurchlässigen Geeststandorten zu erhöhter Grundwasserneubildung und erhöhter Verlagerung von Stoffen (auch Schadstoffen). Zudem ist vor allem bei sandigen Böden mit einer erhöhten winterlichen Nitratverlagerung und -auswaschung zu rechnen. Bei weniger wasserdurchlässigen Böden können Vernässung und Stauwasserbildung zunehmen, durch die Bodenverdichtung und Erosion begünstigt werden. Generelle Bodenschutzmaßnahmen gegen die Auswirkungen des Klimawandels lassen sich nicht ableiten, da die Wechselwirkungen je nach Standort zu unterschiedlich sind.
Der Lebenszyklus der Tier- und Pflanzenwelt ist in den mittleren Breiten maßgeblich von Temperatur und Licht abhängig. Zeitliche Verschiebungen des Blattaustriebs, der Knospung, der Blüten und Fruchtbildung, von Beginn und Ende des Winterschlafs, Vogelzugterminen oder der herbstlichen Blattverfärbung sind nur einige Beispiele für die Reaktionen der Tier und Pflanzenwelt auf klimatische Trends.
In den letzten 50–70 Jahren haben sich die Vegetationsperioden in den mittleren Breiten der Nordhalbkugel um 14–24 Tage verlängert. Dies ist hauptsächlich auf einen früheren Vegetationsbeginn zurückzuführen. Diese frühere Pflanzenentwicklung ist sowohl bei Wild- als auch bei Kulturpflanzen zu beobachten.
Süßkirsche, Birne, Sauerkirsche und Apfel fangen heute etwa zwei Wochen früher an zu blühen als in den 1970er Jahren und der Erntetermin für Gerste und Winterweizen hat sich im selben Maße verschoben.
Screenshot auf Tabelle 6.2 https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-55379-4_6
Der Klimawandel wird sich zwangsläufig auch auf die verschiedensten biotischen Wechselwirkungen, Beziehungen und Abhängigkeiten auswirken. Hierzu zählen u. a. die Bestäubung, aber auch Parasitismus und verschiedene Räuber-Beute-Beziehungen. Die zeitliche Entkoppelung der interagierenden Arten kann gravierende Änderungen in den Nahrungsnetzen bewirken. Beispielsweise ist die zeitliche Abstimmung von Tieren und ihren Nahrungspflanzen nicht mehr gegeben, weil Pflanzen früher austreiben, als Tiere aktiv werden, oder umgekehrt. Solche gravierenden Änderungen in Nahrungsnetzen können oft erst durch evolutive Anpassungen ausgeglichen werden. Andererseits können durch die zeitliche und räumliche Verschiebung neue Nahrungsbeziehungen zwischen Schädlingen und Wirtspflanzen entstehen.
Bereits heute werden deutliche Verschiebungen der Lebensräume zahlreicher Tier und Pflanzenarten beobachtet. Die Geschwindigkeit dieser Arealverschiebungen liegt bei etwa 17 km pro Dekade.
Screenshot auf Abb 6.10 https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-55379-4_6
Der Klimawandel begünstigt darüber hinaus die Etablierung bisher unbeständig auftretender nichtheimischer Arten. Nichtheimische wärmeliebende Gehölze wie Lorbeerkirsche oder Walnussbaum zeigen im Bereich städtischer Wärmeinseln starke Ausbreitungstendenzen, so beispielsweise auch in Hamburg.
Der Klimawandel trägt auch maßgeblich zum Rückgang von Bestäubern bei, da er sich in vielfältiger Weise, in der Regel negativ, auf die Wechselwirkung zwischen Blütenpflanzen und Bestäubern auswirkt. Die Bestäubung stellt eine der wichtigsten ökologischen Serviceleistungen dar, denn 60–80 % der Wildpflanzen und etwa 35 % der Feldfrüchte sind von Bestäubern abhängig.
Für den verbreitet zu beobachtenden Rückgang von Honigbienen sind Faktoren wie Pestizideinsatz, Krankheiten und Stress bzw. deren Kombination relevanter als der Klimawandel. Der Klimawandel erhöht jedoch innerhalb dieses Faktorenkomplexes die Sensitivität gegenüber anderen Einflüssen.
Auch das Artenspektrum der Wälder wird sich ändern. Dabei sind nachteilige Auswirkungen auf die Holzzuwächse zukünftig insbesondere auf Standorten zu erwarten, auf denen schon heute Hitze und Trockenheit das Wachstum begrenzen. Auf bisher wärmelimitierten Standorten dürfte es dagegen bei ausreichender Wasserversorgung zu Zuwachssteigerungen kommen. Die Wälder Mitteleuropas sind derzeit eine bedeutende Senke für Kohlenstoff. Vermehrter Trockenstress in den Sommermonaten würde die Kohlenstoffspeicherung jedoch einschränken und könnte die Wälder zu einer CO2-Quelle werden lassen.