Klimawandel und Nachhaltigkeit
Betrachtet man den Klimawandel nicht als Phänomen, das durch einzelne Gesetze zu regulieren oder durch einzelne Technologien zu lösen ist, sondern als komplexes Nachhaltigkeitsthema, dann erscheint eine umfassende Transformation notwendig. Für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bedeutet dies weitergehende Nachhaltigkeitsanstrengungen als bislang realisiert.
© Michael Fritz
Klimawandel und nachhaltige Entwicklung sind seit Ende der 1980er-Jahre zwei eigenständige globale Politikfelder, die jedoch eng miteinander verbunden sind. Kurz nach Veröffentlichung des ersten Sachstandberichtes zum Klimawandel des Weltklimarates IPCC wurde 1992 auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro die Agenda 21 verabschiedet. Darin wurden Leitlinien einer veränderten Wirtschafts-, Umwelt- und Entwicklungspolitik zur nachhaltigen Entwicklung für das 21. Jahrhundert vereinbart. Die Nachfolgeagenda zur nachhaltigen Entwicklung mit den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen wurde durch die Völkergemeinschaft im Jahr 2015 bestätigt und trat im Januar 2016 als Agenda 2030 in Kraft. Im Rahmen dieser Entwicklung wurde bisher zweimal bzgl. einer nachhaltigen Entwicklung Bilanz gezogen und nächste Schritte vereinbart: auf dem Weltgipfel für eine nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 und auf dem sog. Rio+20-Gipfel 2012 in Rio de Janeiro. Dabei wurde jeweils konstatiert, dass sich die Welt insgesamt trotz einzelner Fortschritte weiterhin auf einem nichtnachhaltigen Entwicklungspfad befindet: Die Treibhausgasemissionen, insbesondere CO2, sind trotz internationaler Klimapolitik parallel zum Weltsozialprodukt angestiegen. Eine relative Entkopplung von CO2-Emissionen und Wirtschaftswachstum in einigen Ländern, wie z. B. Deutschland, wurde durch den Aufstieg der Schwellenländer überkompensiert. Ebenso wenig sind durchgreifende Erfolge auf anderen Nachhaltigkeitsfeldern, wie etwa beim Biodiversitätsschutz, zu verzeichnen. Die inzwischen weitgehend als notwendig erachtete umfassende Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft bedeutet eine grundsätzliche Neuausrichtung von Energieproduktion, -verteilung und -konsum und stellt damit eine Herausforderung dar, die einfache, punktuelle Regulierungsansätze übersteigt.
Da viele der globalen Probleme am besten auf lokaler Ebene zu lösen sind, wurde jede Kommune der 178 Unterzeichnerländer aufgerufen, eine eigene lokale Agenda 21 zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang werden verstärkt partizipativ ausgerichtete Experimente in Nischen initiiert, von denen großräumige Systeminnovationen erhofft werden. Die Idee, dass Nachhaltigkeitsinnovationen aus Nischen heraus entstehen, wird in Realexperimenten bzw. Reallaboren weiter verfolgt. Es sollen Möglichkeitsräume für transformative Praktiken zur nachhaltigen Entwicklung geschaffen werden. In Hamburg gab es um die Jahrtausendwende in fünf von sieben Bezirken Lokale-Agenda-21-Initiativen, in denen sich organisierte Zivilgesellschaft und Bürger mit Nachhaltigkeitsthemen auseinandersetzten. Aufgrund unzureichender bzw. nicht vorhandener struktureller Unterstützung von Politik und Verwaltung konnten sich die meisten jedoch nicht dauerhaft etablieren. Jedoch wurde 1996 der „Zukunftsrat Hamburg“ gegründet. Mit über 100 Mitgliedsorganisationen aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft agiert er im Sinne einer Lokalen Agenda 21 sowie der Agenda 2030 und trägt als Kritiker, Treiber und Initiator von Nachhaltigkeitsinitiativen zu den Nachhaltigkeitszielen für ein zukunftsfähiges Hamburg bei. Dabei übernimmt er teilweise auch Aufgaben, die in den Verantwortungsbereich staatlicher Nachhaltigkeitspolitik fallen (sollten). Hier sind insbesondere das indikatorengestützte Nachhaltigkeitsmonitoring und die darauf gründende Nachhaltigkeitsberichterstattung zu nennen.
Zudem müssen Politik und Verwaltungen die Entwicklung von Infrastrukturen befördern, die energieeffizientes Handeln ermöglichen. Auch die Anpassung an den Klimawandel lässt sich nicht allein durch die Einführung einzelner Technologien und regulativer Maßnahmen erreichen, sondern erfordert gemeinsame Entwicklungen unterschiedlichster gesellschaftlicher Akteure von der Stadtplanung über die Landwirtschaft bis hin zum Tourismus.