Zur Übersichtsseite "Dossiers"
16.01.2019

Klimawandel und Wirtschaft – neu Der Klimawandel wird sich künftig verstärkt auf die Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen auswirken. Wie greift die Wirtschaft den Klimawandel auf?

Wie können Unternehmen durch Wissenschaft und Verwaltung bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden?

Die Frage, wie Unternehmen bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden können, setzt voraus, dass diese bereits negative Auswirkungen des Klimawandels identifiziert haben bzw. überhaupt unterstützt werden wollen. Doch genau hier liegt die Herausforderung: Eine Befragung im Rahmen des ifo-Konjunkturtests Verarbeitendes Gewerbe im November 2010 unter ca. 2600 Unternehmen (Stechemesser et al. 2011) zeigte, dass die Unternehmen den Klimawandel noch nicht wirklich wahrnehmen.

© fotolia/Thaut Images

© fotolia/Thaut Images

Die Unternehmen sollten zum einen die Frage beantworten, wie sich Extremwetterereignisse (Hitzewellen, Kältewellen inklusive Eis und Schnee, Trockenheit, Starkniederschlag und Stürme) auf die Wertschöpfung des Unternehmens in der Vergangenheit ausgewirkt haben. Zum anderen wurden die erwarteten Auswirkungen des prognostizierten Klimawandels auf einzelne Funktionsbereiche (Einkauf, Produktion, Absatz, Entsorgung, Logistik, Innovation und Personal) erfragt. 70 Prozent der Unternehmen nahmen keine Konsequenzen für ihren Arbeitsbereich wahr, 15 Prozent fühlten sich negativ betroffen, nur 3 Prozent positiv. Diejenigen, die negative Auswirkungen sahen, differenzierten diese nach Kältewellen (25 Prozent), Hitzewellen (18 Prozent) und Starkniederschläge (16 Prozent). Für einige Unternehmen hatten Hitzewellen (4 Prozent) und Kältewellen (4 Prozent) einen positiven Einfluss. Interessanterweise wurden Stürme kaum genannt, obwohl sie aus volkswirtschaftlicher Sicht von großer Bedeutung sind (Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, 2011). In der Region Dresden von Wirtschaftswissenschaftler/innen durchgeführte Interviews bestätigen diese Ergebnisse im Großen und Ganzen (Günther et al. 2013).

Andere Studien (z.B. Mahammadzadeh et al., 2013, 2014) kommen teilweise zu höheren Werten und vereinzelt zu Unterschieden in der Reihenfolge der negativen Auswirkungen des Klimawandels, was bei sozialwissenschaftlichen empirischen Erhebungen und bei unterschiedlichen Erhebungszeitpunkten nicht ungewöhnlich ist. Es ist durchaus möglich, dass diese Unterschiede auf die Person der jeweiligen Befragten zurückzuführen sind. Im Falle der ifo-Befragung waren die Befragten beispielsweise nicht auf Umwelt- oder gar Klimafragen spezialisiert.

Insgesamt lässt sich auf Basis der Ergebnisse regionaler und bundesweiter Studien außerdem festhalten, dass der Klimaschutz wesentlich mehr Aufmerksamkeit in Unternehmen erfährt als die Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Die direkten Effekte des Klimawandels gewinnen jedoch zunehmend an Bedeutung, insbesondere wenn Unternehmen bereits Klimaschäden erlitten haben (Brasseur et al. 2017).

Vereinzelt werden die Auswirkungen des Klimawandels also von den Unternehmen wahrgenommen, doch eine Frage, mit der sich die Unternehmen vorrangig beschäftigen wollen, ist der Klimawandel offensichtlich (noch?) nicht. Hieraus kann folgende These abgeleitet werden:

These 1: Der Klimawandel findet statt, doch die Unternehmen ignorieren den nötigen Anpassungsbedarf größtenteils.

Somit muss auch die eingangs gestellte Frage anders gestellt werden: Wie kann erreicht werden, dass Unternehmen einer Region durch Wissenschaft und Verwaltung bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden wollen bzw. Handlungsbedarf identifizieren? Zwei weitere Thesen sollen im Folgenden dabei helfen, diese Frage zu beantworten.

These 2: Der Klimawandel wirkt in Jahrzehnten, Unternehmen denken bis zum nächsten Quartal, Politiker/innen bis zur nächsten Wahl.

Die Herausforderung besteht vor allem in den auseinanderfallenden Zeithorizonten der Unternehmensführung und des Klimawandels: Werden in den Unternehmen häufig Amortisationszeiten von Investitionen von ein bis zwei Jahren erwartet, erfordert der Klimawandel ein Denken in Zeiträumen von bis zu 100 Jahren. Auch die Politik kann hier nur bedingt hilfreich sein. Denn auch für sie gilt: Die Zeiträume, in denen der Klimawandel stattfindet, liegen außerhalb der Erfahrungsbereiche von Entscheider/innen in Wirtschaft und Politik. Die Langfristigkeit des Klimawandels ist somit durch Naturwissenschaftler/innen ins Bewusstsein von Politik und Wirtschaft zu rücken. Wirtschaftswissenschaftler/innen können insbesondere Lösungen für die Unternehmen entwickeln, die Verwaltung hat die Aufgabe, politische Entscheidungen im Hinblick auf die Herausforderungen des Klimawandels zu prüfen. Extreme Ereignisse sind gesondert zu betrachten. Zudem müssen vor allem Chancen in den Vordergrund rücken, die wie oben dargestellt bisher noch kaum erkannt werden.

Wie kann nun dieses Dilemma gelöst werden? Der Klimawandel ist im Rahmen der strategischen Planung gemeinsam mit anderen Entwicklungen im unternehmerischen Umfeld (demographischer Wandel, technologischer Wandel oder gesellschaftlicher Wandel) zu analysieren. In diese Betrachtung sollten alle Anspruchsgruppen, die in der Umfeldanalyse als relevant identifiziert wurden, einbezogen werden, beispielsweise der Gesetzgeber, die Kunden, Wettbewerber, aber auch Banken und Versicherungen. Im Vordergrund sollte somit nicht der Klimawandel als singuläres Phänomen stehen, sondern die Bedeutung der langfristigen Existenzsicherung für die Unternehmen. Praktische Empfehlungen zur Einbindung von verschiedenen Anspruchsgruppen bei Entscheidungsprozessen im Zusammenhang mit dem Klimawandel gibt beispielsweise die DIN-Spezifikation 35810, die kostenlos im Internet verfügbar ist.

Bei der Analyse von Klimawandel-Risiken kann in einem ersten Schritt der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie entwickelte „Klimacheck“ helfen (BMWi, 2014). Dieses Tool soll vor allem dem produzierenden Gewerbe bei der Identifikation von relevanten Risiken unter die Arme greifen. Eine ganzheitlichere und zukunftsgerichtetere Perspektive kann durch die Entwicklung von Szenarien eingenommen werden, um den unternehmerischen Entscheidungsprozess weitergehend zu unterstützen. Hierzu hat der Lehrstuhl für Betriebliche Umweltökonomie der Technischen Universität Dresden im Rahmen des Verbundprojektes REGKLAM der KLIMZUG-Fördermaßnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ein Szenarioplanungs-Instrument entwickelt, das auch von kleineren Unternehmen genutzt werden kann (Meyr et al. 2011; Meyer et al. 2014). In diesem Zusammenhang wurde auch die DIN-Spezifikation 35811 entwickelt, die Unternehmen als Leitfaden dienen soll und kostenlos auf der Website des Beuth-Verlages heruntergeladen werden kann. Die von Wissenschaftler/innen für die Praxis entwickelte Managementmethode der Szenarioplanung zur Anpassung an den Klimawandel wird in acht Schritten praktisch umgesetzt:

Abbildung: Die Szenarioplanungsmethode (DIN, 2014)

Abbildung: Die Szenarioplanungsmethode (DIN, 2014)

Diese acht Schritte wurden in Pilotvorhaben in der Region Dresden umgesetzt. Sie können unternehmensindividuell angepasst und so mit den Gegebenheiten der bereits im Unternehmen vorhandenen Instrumente abgeglichen werden.

These 3: Denn sie wissen nicht, dass sie es tun; Unternehmen passen sich bereits an den Klimawandel an, wissen es aber nicht.

Auch wenn der Klimawandel noch nicht im Bewusstsein der Unternehmen ist, passen sie sich bereits heute an den Klimawandel an. Insbesondere die bei über 50 Unternehmen in der Region Dresden geführten Interviews zeigen (Günther et al. 2013), dass auf Nachfrage sehr wohl über Maßnahmen berichtet wurde, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, aber nicht primär diesem zugeordnet wurden. So wurden Klimaanlagen eingebaut, Arbeitszeiten in den Sommermonaten wurden angepasst, die Logistik wurde für den Fall eines erneuten Hochwassers optimiert oder die Produkte aufgrund sich verändernder Nachfrage (z.B. im Maschinenbau, aber auch im Tourismus) verändert.

Diese Beobachtungen bestätigen wiederum die unter These 2 vorgestellten Vorschläge, den Klimawandel gemeinsam mit anderen unternehmerischen Herausforderungen zu betrachten.

Fazit

Die Entwicklung von Szenarien im Rahmen der strategischen Planung ermöglicht in einem ersten Schritt, dass der Klimawandel in die Unternehmenspolitik eingebettet wird und die Unternehmen bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden wollen, und in einem zweiten Schritt, dass sie auch unterstützt werden können, wie die ursprünglich gestellte Frage lautete.

Autoren

Prof. Dr. Edeltraud Günther
Technische Universität Dresden
Lehrstuhl für Nachhaltigkeitsmanagement und Betriebliche Umweltökonomie & PRISMA-Zentrum für Nachhaltigkeitsbewertung und -politik

Dr. Matthias Damert
Technische Universität Dresden
Lehrstuhl für Nachhaltigkeitsmanagement und Betriebliche Umweltökonomie & PRISMA-Zentrum für Nachhaltigkeitsbewertung und -politik

Quellen