Chancen der Klimaanpassung: eine neue Innovationspotenzialanalyse
Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels wird in Zukunft immer mehr Bedeutung für viele Unternehmen gewinnen – beginnend mit der Reaktion auf zunehmende Temperaturextreme und vermehrte Starkwetterereignisse bis zu notwendigen Umstellungen in Geschäftsprozessen aufgrund von Veränderungen in den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen.
Aber die Anpassung an den Klimawandel bedeutet nicht nur Risiken. Darüber hinaus entstehen auch Innovations- und Geschäftschancen durch die Entwicklung und Anwendung von neuartigen Lösungen zur Klimaanpassung. Hierbei bieten sich nicht nur technische Lösungen wie beispielsweise eine ausfallsichere Stromversorgung oder sturmsichere Dach- und Fassadensysteme an. Auch neue organisationale, geschäftsfeldbezogene oder institutionelle Problemlösungen können einen wichtigen Beitrag zur Klimaanpassung leisten.
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So wären beispielsweise eine neuartige Versicherungslösung als eine geschäftsfeldbezogene Klimaanpassung und die erfolgreiche Etablierung einer regionalen Servicestelle Klimawandel, die Unternehmen in Sachen Klimaschutz und Klimaanpassung kompetent informiert und berät, als eine neuartige institutionelle Klimaanpassungslösung zu werten. Klimaanpassungsinnovationen stärken dabei nicht nur die Robustheit von Unternehmen und Regionen gegenüber dem Klimawandel. Vielmehr können sich hieraus neue Märkte und Absatzchancen für Unternehmen ergeben, und zwar sowohl für regionale Märkte als auch national und im internationalen Export.
Für viele Herausforderungen des Klimawandels gibt es bereits leistungsfähige Lösungsansätze und Technologien, die adaptiert und genutzt werden können. Beispiele sind solares oder geothermisches Kühlen. Andere Ansätze wie Langzeitwärmespeicher oder Virtuelle Kraftwerke befinden sich noch im Entwicklungsstadium, so dass kurz- und mittelfristig mit deren Anwendung gerechnet werden kann. Ob sich die Neuerungen aber tatsächlich durchsetzen und ob damit auch die beabsichtigten Ziele erreicht werden, ist nicht immer sicher.
Um neuartige Klimaanpassungslösungen systematisch zu identifizieren und zu bewerten, wurde im vom Bundesforschungsministerium geförderten KLIMZUG-Verbundprojekt nordwest2050 das Instrument der Innovationspotenzialanalyse entwickelt. Mit dieser Methode konnten insgesamt 70 Innovationsideen für Klimaanpassung in den vier Bereichen Energie, Ernährung, Hafen/Logistik und Regionalpolitik (Governance) generiert und bewertet werden. Einige dieser Ideen werden bereits umgesetzt. Beispiele sind die geothermale Kühlung eines Rechenzentrums oder die vorausschauende Kühlung und Klimatisierung von Ställen mit „Wetter in Control“.
Im Folgenden werden die entwickelte Methodik sowie wesentlichen Ergebnisse ihrer praktischen Anwendung kurz vorgestellt.
Die Methode Innovationspotenzialanalyse
Ziel der Innovationspotenzialanalyse ist es, Innovations- und Technologiechancen herauszuarbeiten, die sich mit Blick auf den Klimawandel für einzelne Branchen oder Bedarfsfelder ergeben. Dies dient als Grundlage für konkrete Innovationsprojekte, die von Forschungsverbünden, Unternehmensnetzwerken, einzelnen Unternehmen und gegebenenfalls mit Unterstützung von Wirtschafts- und Innovationsfördereinrichtungen initiiert und umgesetzt werden können. Die im Rahmen von nordwest2050 neu entwickelte Methodik zur Innovationspotenzialanalyse greift konzeptionelle Elemente anderer Methoden auf, ist aber zugleich in Vorgehen und Bewertungsmethodik spezifisch und passgenau für die im Zusammenhang mit der Anpassung an den Klimawandel vorliegenden Erkenntnis- und Gestaltungsinteressen.
Die Generierung und Identifikation von Innovationsideen (so genannte „Innovationskandidaten“), die einen deutlichen Beitrag zur Klimaanpassung liefern können, stellt eine zentrale Aufgabe der Innovationspotenzialanalyse dar. Ansatzpunkte bieten sich hier beispielsweise in der Betrachtung aktueller Innovationstrends und von neuartigen Lösungen, die bereits in anderen Regionen oder Branchen erfolgreich angewendet werden. Auch die gezielte Analyse der im jeweiligen Wirtschaftssektor oder Handlungsfeld (in Abbildung 1 verallgemeinernd als „Cluster“ bezeichnet) vorhandenen Verwundbarkeiten kann zu Ideen und Ansatzpunkten für erfolgreiche Klimaanpassungsinnovationen führen. Letztlich ist es auch erfolgversprechend, zunächst ein Wunschbild der Zukunft zu entwickeln und dann Überlegungen anzustellen, welche Innovationen notwendig sind, um diesen Zustand zu erreichen.
Die Bewertung der identifizierten Innovationskandidaten und die Auswahl der erfolgversprechenden Innovationsprojekte stellen die abschließenden Schritte der Innovationspotenzialanalyse dar. Hierzu wurde ein Kriterienraster entwickelt, mit dessen Hilfe die Bewertung der Innovationskandidaten erfolgen kann. Zentrale Elemente dieses Bewertungsschemas sind die Fragen: Wie sehr lösen sie Probleme, die durch den Klimawandel entstehen? Können sie erfolgreich umgesetzt werden, wie innovativ sind sie und wie hoch ist der Multiplikatoreffekt?
Bei den Kriterien kann es sich zum einen um Kriterien handeln, die von einem Innovationskandidaten unbedingt erfüllt sein müssen, um im Rahmen der Innovationspotenzialanalysen weiter betrachtet zu werden (K.O.-Kriterium). Zum Beispiel stellt das Kriterium „Reduzierung von Vulnerabilität/Verletzlichkeit“ ein Muss-Kriterium dar, da die Innovation sonst keinen Beitrag zur Klimaanpassung leisten würde. Zum anderen gibt es Kriterien, bei denen eine möglichst weitgehende Erfüllung zwar erwünscht, aber nicht zwingend notwendig ist (Bonus-Kriterien). So kann z.B. ein hoher Innovationsgrad wünschenswert sein, muss aber nicht zwangsläufig erfüllt sein, da auch inkrementelle – also schrittweise – Innovationen einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Anpassung an die Folgen des Klimawandels leisten können.
Fazit
Mit der Methode Innovationspotenzialanalyse wurde ein Instrument entwickelt und angewendet, mit dem sich effektiv und effizient Innovationsmöglichkeiten für Klimaanpassung identifizieren und bewerten lassen. Von den insgesamt über 70 Innovationsideen wurden 34 vertiefend analysiert und mit dem vorgestellten Kriterienraster bewertet. Als besonders erfolgversprechend identifiziert wurden insgesamt 16 Innovationskandidaten.
Das Instrument ist variabel auf verschiedenste technische, organisationale oder institutionelle Innovationsfelder anwendbar. Auch ist die Vorgehensweise – gegebenenfalls mit entsprechenden Modifikationen – prinzipiell gut geeignet, um z.B. in der regionalen Wirtschaftsförderung genutzt zu werden.
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Dr. Ralph Hintemann, Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit
Dr. Jens Clausen, Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit
- Fichter K, Hintemann R (2010) Leitfaden Innovationspotentialanalyse. nordwest2050 Werkstattbericht Nr. 5, Bremen, Oldenburg
- Hurrelmann, K., Becker, L., Fichter, K., Mahammadzadeh, M., Seela, A. (Hrsg.) (2018). Klima-LO: Klimaanpassungsmanagement in Lernenden Organisationen. Oldenburg, Köln.
- Netzwerk für Innovation und Gründung im Klimawandel (NIK)