Entwicklung und Erprobung eines Unternehmensanalysetools als Klimaserviceprodukt
Die Folgen des Klimawandels stellen Unternehmen vor neue unternehmensspezifische Herausforderungen, woraus zunehmend auch ein Handlungsbedarf zur Anpassung an die heute bereits unvermeidlichen und zukünftig zu erwartenden Folgen des Klimawandels entsteht: Risiken sollten möglichst abgemildert, Chancen rechtzeitig ergriffen werden. Die klimawandelbezogenen Risiken und Chancen unterscheiden sich in Abhängigkeit von Geschäftsmodell, Unternehmensstandort oder Lieferkette oftmals beträchtlich. Aufgrund spezifischer Vulnerabilitäten weisen Unternehmen auch individuell unterschiedliche Anpassungsbedarfe auf, die wiederum unternehmensspezifisch ausgestaltete Maßnahmen erforderlich machen.
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Doch wie kann der Stand des Wissens zum Klimawandel so aufbereitet werden, dass Unternehmen nicht nur für das Thema der Anpassung an Klimawandelfolgen sensibilisiert werden, sondern es auch dauerhaft in ihren strategischen Planungen berücksichtigen? Hierzu wurde im Rahmen des gemeinsamen Vorhabens „Unternehmensstrategien im Klimawandel“ des Climate Service Center Germany (GERICS) mit der Stiftung 2° sowie der Unternehmensberatung CSR Management Dienstleistungen ein prototypisches Beratungsinstrument für betriebliche Anpassungsstrategien an den Klimawandel entwickelt und dessen Anwendung mit Praxispartnern erprobt.
Eine zentrale Komponente des Vorgehens war das sogenannte „Unternehmensanalysetool“, das zur Befragung und Sensibilisierung von Entscheidungsträgern in Unternehmen diente. Es beinhaltet Fragen zu allen relevanten Funktionsbereichen von Unternehmen. Hierbei war es ein wesentliches Ziel, durch den damit verbundenen Diskurs die beteiligten Entscheidungsträger dazu zu bringen, ihre eigenen, unternehmensspezifischen Prozesse und Strukturen im Hinblick auf mögliche Wirkungszusammenhänge mit dem Klimawandel zu erkennen und kritisch zu hinterfragen. Darauf aufbauend vertieften die Fragen des Unternehmensanalysetools die Sensibilisierung der Entscheider für die Themen Klimawandel und Anpassung an die Folgen des Klimawandels sowie für mögliche Anpassungsmaßnahmen.
Entwicklung und Struktur des Unternehmensanalysetools
Die Entwicklung des Unternehmensanalysetools basierte auf Überlegungen, welche Wirkungen der Klimawandel auf die betriebliche Wertschöpfung haben kann. Der Ausgangspunkt hierfür ist ein klassisches Modell für Wertschöpfungsketten in der Wirtschaft. Hierbei entsteht aus verschiedenen Ausgangsstoffen entlang wertsteigernder Verarbeitungsstufen letztlich ein Produkt, was von Abnehmern wertgeschätzt wird. Eingebettet in Gesellschaft und Gemeinwesen wird der Prozess durch Lieferanten auf der einen Seite und Abnehmer auf der anderen Seite flankiert.
Darauf aufbauend werden nachfolgend drei sich ergänzende Betrachtungsebenen skizziert, um die Einflussmöglichkeiten des Klimawandels auf betriebliche Aktivitäten möglichst umfassend zu berücksichtigen.
Prüfbereiche entlang der „Value Chain“
Das Konzept der Value Chain dient der Analyse der betrieblichen Wertschöpfung auf Basis miteinander in Beziehung stehender Produktionsfaktoren (primäre und sekundäre Aktivitäten). Unter Berücksichtigung dieses Konzeptes wurden diejenigen wertschöpfenden Aktivitäten in Unternehmungen identifiziert, die im Hinblick auf Folgen des Klimawandels grundsätzlich relevant sind.
Prüfbereiche entlang der „Value Levers“
Zudem wurden Überlegungen angestellt, inwiefern der Klimawandel Einfluss auf Produktionsfaktoren und Stakeholder mit Hebelwirkung für Umsatz und Gewinn eines Unternehmens haben könnte (Value Levers). Dieser Fragestellung liegt kein feststehendes Modell zugrunde, da hier eine branchenspezifische Herangehensweise notwendig ist. Insgesamt wurden acht relevante Prüfbereiche entlang der Value Levers diskursiv durch das Projektteam abgeleitet.
Prüfbereiche entlang der „Value Drivers“
Des Weiteren wurde im Rahmen des Projektes erörtert, welchen Einfluss der Klimawandel auf das finanzielle Ergebnis der unternehmerischen Aktivität haben kann. Hierzu wurde ein Treiberbaum als klassisches ökonomisches Modell genutzt, und daraus die grundsätzlich als relevant erachteten Prüfbereiche entlang der einzelnen Value Drivers abgeleitet. Hierdurch wurde der Fokus auf rein monetäre Kennzahlen gelegt, die für die Bilanzierung und Unternehmenssteuerung relevant sind.
Struktur und Inhalte des Unternehmensanalysetools
Die drei sich ergänzenden Betrachtungsbereiche Value Chain, Value Levers und Value Drivers stellen den methodischen Rahmen des Projekts dar, das im Wesentlichen auf Gesprächen innerhalb der teilnehmenden Unternehmen beruht. Um die Dauer der einzelnen Interviews auf maximal eineinhalb Stunden pro Gespräch zu begrenzen, erfolgte innerhalb des Projektteams eine Priorisierung der Prüfbereiche entsprechend ihrer jeweils wahrgenommenen Wichtigkeit. Die als am höchsten gewichteten Prüfbereiche liefern die Grundlage für das eigentliche Unternehmensanalysetool, in welchem für jeden Prüfbereich detaillierende Interviewfragen formuliert wurden. Zusammenfassend orientiert sich die Struktur des Unternehmensanalysetools an den zentralen betriebswirtschaftlichen Funktionsbereichen von Unternehmen (siehe Tabelle 1): i) Management und Führung, ii) Markt, iii) Finanzen, iv) Infrastruktur, v) Produktion und Logistik und vi) Personal.
Tab. 1: Funktionsbereiche (fett) und Themenfelder des Unternehmensanalysetools
Jeder der sechs Funktionsbereiche enthält spezifische unternehmensrelevante Prüfbereiche, die aus der Betrachtung entlang von Value Chain, Value Levers und Value Drivers hervorgegangen waren. Jeder Prüfbereich wird wiederum durch konkrete Fragen detailliert. Insgesamt beinhaltet das Unternehmensanalysetool 55 Fragen zu den 36 in der Tabelle genannten Themenfeldern (Prüfbereichen).
Zusammenarbeit mit den Unternehmen
Im Verlauf von acht Unternehmensterminen wurden insgesamt 35 Interviews durchgeführt. Ergänzend konnten zwei nicht formalisierte Gespräche mit CEOs geführt werden. Die Interviewpartner kamen hierbei aus den Bereichen Strategie, Finanzen, Beschaffung, Logistik, Produktentwicklung, Marketing und Personal.
Nach der Entwicklung und ersten Praxisprüfung des Unternehmensanalysetools mit drei Mitgliedsunternehmen der Stiftung 2° wurden die Erkenntnisse der ersten Projektphase dazu verwendet, die Inhalte zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Hierzu wurden einzelne Fragen umformuliert, herausgenommen oder auch durch neue ergänzt. In der zweiten Projektphase wurde das aktualisierte Unternehmensanalysetool mit fünf weiteren Mitgliedsunternehmen der Stiftung 2° erprobt und weiterentwickelt.
Zum Abschluss des Projekts wurde eine zusammenfassende Feedbackrunde für die beteiligten Mitarbeiter der involvierten Unternehmen durchgeführt und hierbei die Projektergebnisse (anonym) erörtert. Darüber hinaus erhielt jedes Unternehmen eine individuelle Auswertung der Interviews in Form eines vertraulichen Dokuments. Diese anonymisierte Auswertung umfasst i) unternehmensindividuelle Empfehlungen, ii) Hinweise aus den Interviews, iii) einen Vergleich mit den anderen teilnehmenden Unternehmen, iv) allgemeine Handlungsempfehlungen sowie v) die aktuelle Version des Unternehmensanalysetools.
Ergebnisse
Neben der thematischen Sensibilisierung und der unternehmensspezifischen Analyse war für die beteiligten Unternehmen vor allem die Möglichkeit zu einer vertieften Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken des Klimawandels von großem strategischen Interesse. Das Unternehmensanalysetool diente den Entscheidungsträgern hierbei zum themenbezogenen Vergleichen, Lernen und Verbessern in den jeweils relevanten Unternehmensbereichen.
Zudem konnten für Unternehmen unmittelbar relevante Forschungsbedarfe ermittelt werden. Hierzu zählt beispielsweise der Bedarf an wissenschaftlich fundierten und praxistauglichen Methoden zur Abschätzung finanzieller Auswirkungen des Klimawandels auf Immobilien, Beteiligungen, Sachanlagen und Abschreibungen.
Als besonders nutzbringend wurde die thematische Sensibilisierung und Verankerung des Themas „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ gewertschätzt, da es als ein sehr neues, aber wichtiges Thema wahrgenommen wurde. Zudem erachteten die Teilnehmer das Vorhaben als wichtigen und effektiven Impuls für eine intensivere unternehmensinterne Auseinandersetzung und Kommunikation hierzu.
Des Weiteren kann das entwickelte und in der Praxis umfassend erprobte Vorgehen zukünftige Prozessoptimierungen ermöglichen sowie eine verbesserte interne themenbezogene Vernetzung bewirken. Darüber hinaus hat es wirksam dazu beigetragen, innerhalb der beteiligten Unternehmen die geeigneten Fach- beziehungsweise Unternehmensbereiche zu identifizieren und relevante Akteure fachlich zusammenzubringen. Hierbei ist hervorzuheben, dass das methodische Vorgehen im Projekt so angelegt war, dass die Auswahl der Gesprächspartner nicht auf Basis der verantwortlichen Organisationsstrukturen beziehungsweise Abteilungen – wie Risikomanagement, Umwelt- und Klimaschutz oder Nachhaltigkeit – erfolgte. Vielmehr ging es darum, sich den Unternehmen über die in Tabelle 1 dargestellten relevanten Funktionsbereiche zu nähern. Durch diesen Ansatz wird es den Unternehmen zukünftig leichter möglich sein, das Thema der Folgen des Klimawandels strukturiert zu bearbeiten sowie abteilungsübergreifend entsprechende strategische und operative Lücken im Unternehmen zu minimieren.
Der Beitrag basiert auf der nachfolgend genannten Publikation. Diese enthält umfassende Literaturhinweise zu dem Themenbereich: