Zur Übersichtsseite "Dossiers"
07.08.2020

Globale Klimamodellierung Hoch entwickelte Klimamodelle versuchen, das Klima so realitätsnah wie möglich abzubilden und Aussagen über seine künftigen Veränderungen zu machen.

Wofür werden Klimamodelle gebraucht?

Klimamodellrechnungen werden verwendet um:

1. Entwicklungsmöglichkeiten des zukünftigen Klimas zu simulieren,
2. das Klima der Vergangenheit kennen zu lernen,
3. das Klimasystem besser zu verstehen und
4. Klimamodelle selbst zu verbessern.

Das Klima der Zukunft projizieren

Die in der Öffentlichkeit bekannteste Anwendung von Klimamodellen besteht in der Berechnung möglicher zukünftiger Klimaänderungen, sogenannter Klimaprojektionen. In diesen werden unterschiedliche mögliche zukünftige Klimaentwicklungen auf der Basis unterschiedlicher Emissionsszenarien meist bis zum Jahr 2100 simuliert (siehe Abbildung unten). Einige Projektionen werden auch für längere Zeitskalen berechnet, so zum Beispiel bei den Rechnungen für den 5. Weltklimastatusbericht bis zum Jahr 2300 auf der Basis verlängerter Szenarien, den "Extended Concentration Pathways" (ECPs).

Änderung der mittleren bodennahen Lufttemperatur bis 2081-2100 im Vergleich zu 1986-2005 nach dem Szenario RCP2.6 mit sehr geringen Emissionen, bei dem die globale Mitteltemperatur am Ende des 21. Jahrhunderts weniger als 2 Grad über dem vorindustriellen Wert liegt, und dem Szenario RCP8.5 mit kontinuierlich weiter steigenden Treibhausgasemissionen; dargestellt ist das Mittel des Ensembles aller CMIP5-Projektionen weltweit (s.u.). Gestreift sind Regionen, in denen das Signal gering im Vergleich zu natürlichen Schwankungen ist, gepunktet sind Regionen, in denen das Signal groß im Vergleich zu natürlichen Schwankungen ist (mehr als 2 Standardabweichungen größer) (IPCC 2014 WGI, SPM, Figure SPM 8).

Änderung der mittleren bodennahen Lufttemperatur bis 2081-2100 im Vergleich zu 1986-2005 nach dem Szenario RCP2.6 mit sehr geringen Emissionen, bei dem die globale Mitteltemperatur am Ende des 21. Jahrhunderts weniger als 2 Grad über dem vorindustriellen Wert liegt, und dem Szenario RCP8.5 mit kontinuierlich weiter steigenden Treibhausgasemissionen; dargestellt ist das Mittel des Ensembles aller CMIP5-Projektionen weltweit (s.u.). Gestreift sind Regionen, in denen das Signal gering im Vergleich zu natürlichen Schwankungen ist, gepunktet sind Regionen, in denen das Signal groß im Vergleich zu natürlichen Schwankungen ist (mehr als 2 Standardabweichungen größer) (IPCC 2014 WGI, SPM, Figure SPM 8).

Projektionen des zukünftigen Klimas sind jedoch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Neben der begrenzten Kenntnis des Klimasystems und der Unvollkommenheit der Klimamodelle ist vor allem unklar, wie sich die anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen entwickeln werden. Niemand kann die Entwicklung der Weltgesellschaft über die nächsten Jahrzehnte voraussehen. So gibt es keine gesicherten Vorhersagen der Bevölkerungsentwicklung, der Veränderung des Konsumverhaltens, des Energieverbrauchs, der Nutzung von Energiequellen, der technologischen Entwicklung, der Änderung der Landnutzung sowie des Ausbrechens von Kriegen oder Pandemien usw. Auch die Erfolge bzw. Misserfolge der globalen Klimapolitik lassen sich heute nicht abschätzen. Klimaprojektionen ermöglichen daher immer nur „wenn-dann-Aussagen“. Sie beanspruchen nicht, „die“ Zukunft vorherzusagen, sondern projizieren aus vorgegebenen möglichen Verläufen der Randbedingungen resultierende zukünftige Entwicklungen des Klimasystems.

Zu diesem Zweck hat die Wissenschaft für den Weltklimarat IPCC ein differenziertes Spektrum von Emissionsszenarien für Treibhausgase entwickelt, um den unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Weltgesellschaft Rechnung zu tragen. Jedem Szenario entspricht eine charakteristische Entwicklung der Treibhausgas-Konzentrationen. Bei einem bestimmten angenommenen Pfad der CO2-Emissionen, z. B. einer Verdoppelung bis 2050 gegenüber dem vorindustriellen Wert, berechnen – vereinfacht gesagt - Kohlenstoffkreislaufmodelle die aus den Emissionen folgenden atmosphärischen Konzentrationen und allgemeine Zirkulationsmodelle die Auswirkung auf das Klimasystem.

Ähnlich geht man bei den übrigen anthropogenen Treibhausgasen und Aerosolen vor. Alle beteiligten Modellkomponenten sind, wie zuvor erläutert, miteinander gekoppelt, um die Wechselwirkungen im Erdsystem erfassen zu können.

Im Hinblick auf den 5. IPCC-Bericht von 2013 wurde ein Satz neuer Szenarien entwickelt, die als Representative Concentration Pathways (RCPs)bezeichnet wurden. Die hier beschriebenen Verläufe der Treibhausgaskonzentrationen sind repräsentativ, weil die vier Szenarien RCP2.6, RCP4.5, RCP6 und RCP8.5 für eine größere Anzahl von in der wissenschaftlichen Literatur beschriebenen Emissionsszenarien stehen, die jeweils in einem ähnlichen Konzentrationsverlauf resultieren. Die RCPs heißen Konzentrations-Pfade, weil bei ihnen die wachsende Treibhausgas-Konzentration und damit der zusätzliche Strahlungsantrieb, der den Energiehaushalt der Erde verändert, den Ausgangspunkt bilden, und nicht die sozio-ökonomische Entwicklungen wie bei älteren Szenarien. Bei den früheren Szenarien, den sog. SRES-Szenarien (Special Report on Emissions Scenarios), die den Berichten des Weltklimarates von 2001 und 2007 zugrunde lagen, wurden aus der Entwicklung der Bevölkerung, der Energienutzung, der Landwirtschaft usw. die Emissionen der Treibhausgase abgeleitet und aus diesen dann die resultierenden atmosphärischen Konzentrationen abgeschätzt. Die RCP-Szenarien legen dagegen bestimmte Szenarien von Treibhausgaskonzentrationen und deren Strahlungsantrieb fest, zu denen verschiedene sozio-ökonomische Entwicklungspfade, die zum Beispiel auch klimapolitische Maßnahmen berücksichtigen, führen können.

Ein Ziel dieser veränderten Vorgehensweise ist es, in den Modellsimulationen die Unsicherheiten in den Kausalketten zu minimieren. Bei den SRES-Szenarien setzt jeder Schritt auf den Unsicherheiten des vorhergehenden Schritts auf, von den möglichen sozioökonomischen Entwicklungen über die Treibhausgasemissionen und -konzentrationen bis zu den potentiellen zukünftigen Klimaverhältnissen. Bei den RCP-Szenarien werden die künftigen Strahlungsantriebe als mögliche Projektionen um 2100 im Vergleich zum vorindustriellen Antrieb gesetzt. So steht RCP6.0 für einen zusätzlichen Strahlungsantrieb durch anthropogene Treibhausgase von 6,0 W/m2 im Jahre 2100 im Vergleich zu dem Jahr 1850, das als Beginn der Industrialisierung angenommen wird. Damit werden die Unsicherheiten in der Darstellung des physikalischen Klimas der Zukunft auf die Simulation der klimatischen Änderungen als Folge des Strahlungsantriebs der festgesetzten Treibhausgaskonzentrationen begrenzt (Flato, G., 2011). Hinzu kommt, dass es so auch möglich ist, den Strahlungsantrieb der nach dem Pariser Abkommen von 2015 politisch gewollten 2- bzw. 1,5-Grad-Grenze und die damit zusammenhängenden noch verbleibenden Emissionen einfacher zu bestimmen. So dürften, um das 1,5-Grad-Ziel mit einer 66-prozentigen Wahrscheinlichkeit zu erreichen, nach Modellberechnungen weltweit ab 2017 insgesamt nur noch 420 Gt CO2 emittiert werden. Bei den gegenwärtigen Emissionen von ca. 42 Gt CO2/Jahr wäre danach das noch verbleibende Budget zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels in weniger als 10 Jahren aufgebraucht (IPCC, 2018).

Für die Klimaschutzpolitik bleibt allerdings die Frage entscheidend, welche sozio-ökonomischen Entwicklungen zu den jeweiligen Strahlungsänderungen führen. Die RCP-Szenarien sind daher in den letzten Jahren durch die sog. SSP-Szenarien (Shared Socioeconomic Pathways, dt.: Gemeinsame Sozioökonomische Entwicklungspfade) ergänzt worden. Sie stellen anders als die RCP-Szenarien und ähnlich wie die älteren SRES-Szenarien die globalen gesellschaftlichen, demographischen und ökonomischen Veränderungen der Weltgesellschaft in den Mittelpunkt und gehen bereits in die jüngste Modellgeneration CMIP6 für den 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats ein. Dabei wurden vier neue RCP-Szenarien hinzugefügt, u.a. um den Pfad zu einer Erwärmung unter 1,5 °C zu simulieren.

 Mehr dazu im Dossier Treibhauseffekt und Emissionszenarien

Jahreszeitenvorhersagen und dekadische Klimaprognosen

Heute werden Klima- bzw. Erdsystemmodelle auch operationell für kurz- und mittelfristige Klimavorhersagen angewendet. Während Klimaprojektionen die langfristige mittlere klimatische Entwicklung als Reaktion auf angenommene zukünftige Verläufe der Treibhausgasemissionen und daraus resultierenden Änderungen der Treibhausgaskonzentration auf einer Zeitskala von Jahrzehnten bis zu Jahrhunderten berechnen, haben Jahreszeitenvorhersagen (DWD 2020a) und dekadische Klimaprognosen (DWD 2020b) eine Vorhersage der Kombination von langfristigem Klimaverlauf und den natürlichen Schwankungen des Klimasystems auf einer Zeitskala von Monaten bis hin zu zehn Jahren zum Ziel.

Das Ziel von Klimavorhersagen ist es, Trends und Abweichungen des tatsächlichen Klimaverlaufs der nächsten Monate bzw. Jahre vom „normalen Klima“, also etwa von den heutigen mittleren monatlichen Temperaturen und Niederschlägen, zu prognostizieren. Sie stellen somit eine Brücke zwischen Wettervorhersagen und Klimaprojektionen dar. Der Bedarf an solchen Vorhersagen für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft nimmt angesichts der Abhängigkeit vieler Wirtschaftszweige von kurzfristigen klimatischen Schwankungen (z.B. besonders trockene Sommer in einer bestimmten Gegend) und angesichts von Folgen des Klimawandels, die eine wachsende Klimaanpassung erforderlich machen, ständig zu.

Technisch gesehen wird bei Klimavorhersagen ähnlich wie in der Wettervorhersage gearbeitet: man benötigt immer möglichst aktuelle und umfassende Beobachtungsdaten, um die Modellrechnungen von einem Ist-Zustand zu initialisieren. Da Beobachtungsdaten prinzipiell zeitlich und räumlich lückenhaft sind und nicht die ganze Domäne, also die dreidimensionale Atmosphäre kontinuierlich umfassen, werden sie „assimiliert“. Man kann sich das so vorstellen, dass mit mathematischen Verfahren eine Modellrechnung für die nahe Vergangenheit mit den Beobachtungen möglichst gut in Einklang gebracht wird, um einen physikalisch konsistenten raumfüllenden Datensatz als Startpunkt für die Vorhersagen zu erzeugen. Im Gegensatz zur Wettervorhersage muss hier allerdings auch der Zustand des Ozeans erfasst und in die ozeanische Modellkomponente assimiliert werden, da der Ozean als „Gedächtnis des Klimasystems“ wirkt.

Während etwa die Atmosphäre auf äußere Einflüsse relativ unmittelbar und auf mittelfristigen Zeitskalen mit nicht vorhersagbaren chaotischen Wetterabläufen reagiert, ist die Reaktionszeit des Ozeans wesentlich länger und sein Verhalten damit vorhersehbarer. Da sich durch den „langsamen“ Ozean einige wichtige Parameter und Prozesse im Klimasystem relativ langsam ändern, kann ihre Entwicklung, wenn man die Gesetzmäßigkeiten und den Anfangszustand genau kennt, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden. Dazu gehören zunächst Eigenschaften des Ozeans selbst wie Meeresströmungen und Temperaturverhältnisse, die aber wiederum die Atmosphäre beeinflussen. Damit sind dann bis zu einem gewissen Grad auch klimatische Verhältnisse auf dem Land prognostizierbar, die unter dem Einfluss des Ozeans stehen. Auf längeren Zeitskalen lassen sich so aus dem chaotischen Wetter bestimmte strukturierte Entwicklungen herausfiltern, deren Simulation das Ziel von Klima-Vorhersagemodellen ist (DWD, 2019).

Die Vorhersagbarkeit ist allerdings regional unterschiedlich. Die höchsten Vorhersageerfolge lassen sich besonders für den Nordatlantik erzielen. Der Grund hängt mit den Schwankungen der Atlantischen Multidekaden Oszillation (AMO) auf relativ langen Zeitskalen und den davon abhängigen Meeresoberflächentemperaturen zusammen, die Vorhersagen von bis zu 10 Jahren erlauben. Da die Meeresoberflächentemperatur im Nordatlantik einen großen Einfluss auf das europäische Klima hat, eignet dieses sich ebenfalls für dekadische Vorhersagen (Feldmann, H. et al., 2019). Ein weiterer Grund ist, dass es für Europa und den Nordatlantik verhältnismäßig gute Beobachtungsdaten gibt, an denen die Qualität der Modelle überprüft werden kann (FONA-MiKlip).

Die Beobachtungsdaten sind auch deswegen von großer Bedeutung, als alle Vorhersage-Simulationen grundsätzlich erst mit ‚Nachhersagen‘, also retrospektiven Klimavorhersagen, beginnen. Zunächst wird eine Reihe solcher nachträglichen Prognosen der vergangenen Klimaentwicklung (engl. Hindcasts) durchgeführt (siehe Abbildung unten), um zu bestimmen, wie zuverlässig das Vorhersagemodell funktioniert, also wie groß die Unsicherheit bzw. die „Trefferquote“ in verschiedenen Regionen ist. Für diese Hindcasts ist es entscheidend, jeweils die Startbedingungen zu kennen, die sich wiederum nur aus Beobachtungs- und Reanalysedaten ableiten lassen. Die retrospektiven Klimavorhersagen werden zu Beginn jeden Jahres mit den jeweils neuen Startbedingungen initialisiert. Auf diese Weise können bis zu einem gewissen Grad die dekadischen natürlichen Klimaschwankungen der jüngsten Vergangenheit erfasst werden, aus denen sich dann auch die natürliche Klimavariabilität für die kommenden Jahre prognostizieren lässt. Um die weiterhin bestehenden Unsicherheiten zu minimieren, werden mehrere Modellrechnungen mit leicht veränderten Startwerten gerechnet, sog. Ensemble-Simulationen (s. weiter unten), aus denen man den Mittelwert und die Varianz bestimmen kann.

Ensembles, bestehend aus jeweils zehn Hindcasts, werden für jedes Jahr (schwarze Punkte) gestartet. Mitglieder des Hindcast-Ensembles werden hier nur (in blau) für jeden zehnten Startpunkt gezeigt. Das Ensemble der Vorhersage (in braun) wird vom letzten beobachteten Zustand gestartet (FONA-MiKlip)

Ensembles, bestehend aus jeweils zehn Hindcasts, werden für jedes Jahr (schwarze Punkte) gestartet. Mitglieder des Hindcast-Ensembles werden hier nur (in blau) für jeden zehnten Startpunkt gezeigt. Das Ensemble der Vorhersage (in braun) wird vom letzten beobachteten Zustand gestartet (FONA-MiKlip)

Auch für dekadische Vorhersagen gibt es einen international koordinierten Zusammenschluss (WMO Lead Centre for Annual-to-Decadal Climate Predictions), der die Daten der Vorhersagen produzierenden Center zusammenstellt. Eines dieser Center ist der DWD, dessen operationelles System für dekadische Klimavorhersagen in dem BMBF-Projekt MiKlip entwickelt wurde (DWD: Klimavorhersagen der nächsten Wochen bis Jahre).

Bevor der Übergang zu einem operationellen System geschaffen wurde, hat Miklip wichtige Beiträge zur Erforschung der dekadischen Vorhersagbarkeit geleistet (Marotzke et al, 2016). Das Klimavorhersagesystem basiert auf dem globalen Erdsystemmodell MPI-ESM-HR des Max-Planck-Instituts für Meteorologie mit einer Auflösung von 100x100 km. Darin eingebettet ist das Regionalmodell COSMO-CLM, das dekadische Vorhersagen für Europa mit einer höheren Auflösung berechnet (Feldmann et al., 2019, Reyers et al., 2019). Das regionale Vorhersagesystem wurde allerdings nicht in den operationellen Ablauf beim DWD übernommen. Die Güte der aktuellen Vorhersage (2020-2029) wird anhand von Hindcast-Ensembles, die ab 1960 jährlich initialisiert werden und jeweils 10 Simulationen beinhalten, evaluiert. Um einzuschätzen, ob die aktuelle Vorhersage „vertrauenswürdig“ ist, werden also ca. 6000 Modell-Jahre simuliert und in Bezug zu Beobachtungen oder Reanalysen betrachtet.

Das Klima der Vergangenheit simulieren

Die geologische Vergangenheit kennen lernen

Eine andere wesentliche Aufgabe von Klimamodellrechnungen besteht darin, das Klima vergangener Jahrhunderte, Jahrtausende oder auch Millionen von Jahren zu simulieren, um die Prozesse und Abläufe besser zu verstehen, die zu Klimaänderungen führten. Direkte Messungen von Klimaparametern reichen kaum mehr als 150 Jahre zurück. Für die Zeit davor ist man auf Proxydaten angewiesen, die z.B. aus Baumringen, Pollen oder Eisbohrkernen gewonnen werden. Proxydaten sind jedoch zumeist weder räumlich noch zeitlich konsistent und erlauben nur begrenzt, Klimazustände und –entwicklungen von größeren Regionen oder gar global nachzuzeichnen. Klimamodelle können helfen, im Abgleich mit Proxydaten klimatische Veränderungen über große Zeit- und geographische Räume konsistent darzustellen. Dabei geht es zum einen darum, die klimatischen Änderungen zugrunde liegenden Prozesse und Rückkopplungen zu verstehen. Zum anderen kann auf diese Weise auch die Fähigkeit der Modelle verbessert werden, das künftige Klima zu simulieren.

Gegenwärtig werden im Rahmen von CMIP6 Modelluntersuchungen zu vergangenen Klimaperioden durchgeführt, um Klimaänderungen und ihre zugrundeliegenden Prozesse und Rückkopplungen besser zu verstehen, die auch für zukünftige Klimaänderungen relevant sind.

Dabei handelt es sich um das Jahrtausend vor Beginn der Industrialisierung (850 bis 1850), das mittlere Holozän (vor ca. 6000 Jahren), das letzte Glaziale Maximum (vor ca. 21 000 Jahren), das letzte Interglazial (vor ca. 127 000 Jahren) und das Mittlere Pliozän (vor ca. 3,2 Mio. Jahren) (Kageyama, M. et al., 2018). Das deutsche Projekt PALMOD hat sich die Simulation eines ganzen Eiszeitzyklus über 135 000 Jahre zum Ziel gesetzt, von der letzten Warmzeit (dem Eem) über die anschließende Eiszeit bis zur gegenwärtigen Warmzeit (Holozän), um dann entsprechend angenommener Treibhausgasszenarien die nächsten Jahrtausende mit einem komplexen Erdsystemmodell zu projizieren (GEOMAR, 2019). In diesem Zusammenhang wird davon ausgegangen, dass das zukünftige Klima außerhalb der klimatischen Verhältnisse liegen wird, die das historische Klima der letzten Jahrhunderte kennzeichneten.

An den bis in die geologische Vergangenheit zurückreichenden Klimaperioden lassen sich dagegen bestimmte Prozesse studieren, die eher den zukünftigen und, was den CO2-Gehalt der Atmosphäre betrifft, sogar den gegenwärtigen Verhältnissen gleichen. So muss man schon rund 3 Mio. Jahre zurückgehen, um eine so hohe atmosphärische CO2-Konzentration wie die gegenwärtig von über 400 ppm zu finden. Oder man muss bis auf die letzte Zwischeneiszeit, das Eem, zurückgehen, um auf einen Meeresspiegel von 5 m über dem gegenwärtigen zu stoßen, der auch für die nächsten Jahrhunderte für möglich gehalten wird. Modellsimulationen von geologischen Klimaänderungen können herausfinden, welche längerfristigen Folgen z.B. 400 ppm CO2 hat oder welche Prozesse etwa beim Zerfall von Eisschilden zu einem Meeresspiegelanstieg von 5 m führen. Sie können die Fähigkeiten, solche Prozesse zu simulieren, auch in Simulationen der Zukunft einbringen, zumal für beide Modellrechnungen weitgehend die gleichen Modelle genutzt werden.

Klimamodelle testen - der historische Zeitraum

Durch die Simulationen früherer Klimaänderungen wird auch immer die Fähigkeit von Klimamodellen auf den Prüfstand gestellt, wie bereits im Kontext der mittelfristigen Klimavorhersagen angesprochen. Modelle lassen sich dadurch testen, dass man sie die Klimaänderungen der letzten, gut dokumentierten Jahrzehnte, z.B. von 1850 bis zur Gegenwart, nachrechnen lässt. Ausgehend vom vorindustriellen Klimazustand wird dabei berechnet, wie sich z.B. die globale Mitteltemperatur durch Hinzufügen verschiedener natürlicher (Solarstrahlung, vulkanische Aerosole, natürliche Klimaschwankungen) und anthropogener Antriebskräfte (vom Menschen emittierte Treibhausgase und Aerosole) verändert. Dabei zeigt sich, dass die Modelle der beiden jüngsten Modellgenerationen, CMIP5 und CMIP6 (siehe Abbildung unten), die beobachtete Änderung der globalen Mitteltemperatur weitgehend zutreffend simuliert haben, wodurch auch das Vertrauen in Modellsimulationen bis 2100 und darüber hinaus mit ähnlichen Modellen gefestigt wird.

Vergleich der beobachteten Temperatur (schwarze Linie) mit retrospektiven Klimavorhersagen von CMIP5- (graue Linie) und CMIP6-Modellen (blaue Linie). Bei den Modellsimulationen zeigen die Linien das Mittel der Modelle, die graue und blaue Fläche den Unsicherheitsbereich

Vergleich der beobachteten Temperatur (schwarze Linie) mit retrospektiven Klimavorhersagen von CMIP5- (graue Linie) und CMIP6-Modellen (blaue Linie). Bei den Modellsimulationen zeigen die Linien das Mittel der Modelle, die graue und blaue Fläche den Unsicherheitsbereich

Den anthropogenen Klimawandel nachweisen

Bei den oben erwähnten Hindcasts zeigt sich, dass Modelle nur dann das beobachtete Klima zutreffend simulieren, wenn sie sowohl die Wirkung der natürlichen wie die der anthropogenen Antriebskräfte zutreffend darstellen .Das ist zugleich ein Nachweis dafür, dass die globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte ohne den menschlichen Einfluss nicht denkbar ist. Aus Beobachtungen ist unstrittig, dass es in den vergangenen 100 Jahren eine globale Erwärmung von ca. 1 °C gegeben hat. In der öffentlichen Debatte um den Klimawandel ist von großem Interesse, ob die zugrunde liegenden Ursachen klar bestimmt werden können. Hier haben Modellrechnungen eindeutige Ergebnisse geliefert.

Natürlicher und menschlicher Antrieb von globalen Klimaänderungen 1860 bis 2010: Oben: Berechnung der Temperaturänderung nur durch natürliche Antriebe durch zwei Modellensembles (blau, rot) und die beobachtete Veränderung (schwarz), unten: Berechnung der Temperaturänderung durch natürliche und anthropogene Antriebe. Nur bei Berücksichtigung beider Arten von Antrieben stimmen die Modellergebnisse mit der Beobachtung überein (Bindoff, N.L, et al., 2013).

Natürlicher und menschlicher Antrieb von globalen Klimaänderungen 1860 bis 2010: Oben: Berechnung der Temperaturänderung nur durch natürliche Antriebe durch zwei Modellensembles (blau, rot) und die beobachtete Veränderung (schwarz), unten: Berechnung der Temperaturänderung durch natürliche und anthropogene Antriebe. Nur bei Berücksichtigung beider Arten von Antrieben stimmen die Modellergebnisse mit der Beobachtung überein (Bindoff, N.L, et al., 2013).

Werden nur die natürlichen Antriebe in diesem Zeitraum berücksichtigt, so konnte der beobachtete globale Temperaturanstieg mit Modellen nicht nachvollzogen werden. Für die letzten ca. 50 Jahre zeigt sich sogar, dass die Erde nur durch natürliche Faktoren eine geringe Abkühlung erfahren hätte, da die solare Einstrahlung seit den 1960er Jahren leicht abgenommen hat und einige Vulkanausbrüche zusätzlich für eine leichte Abkühlung gesorgt haben.

Wenn dagegen neben den natürlichen Antrieben auch die menschlich verursachten Änderungen der Treibhausgaskonzentration mit berücksichtigt werden, so wird die tatsächliche Klimaentwicklung zutreffend simuliert (siehe Abbildung oben). Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass die globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte ihre nahezu ausschließliche Ursache in der Emission anthropogener Treibhausgase besitzt.

Ein Klimamodell für Lehrzwecke - das MSCM

Klimamodelle sind sehr leistungsfähige Instrumente zur Erforschung des Klimawandels. Für die meisten Menschen sind sie jedoch eine Black Box, was die Modelle und die auf ihnen basierenden Erkenntnisse in der Öffentlichkeit leicht angreifbar macht. Es ist daher wichtig, auch Nicht-Wissenschaftler an die Arbeitsweise von Klimamodellen heranzuführen, am besten durch die eigene Praxis.

Da das mit komplexen Modellen (GCMs) aktuell nicht in Betracht kommt, sind einfache bzw. sehr einfache Modelle gefragt, mit denen auch Laien Experimente durchführen können, um sich auf diese Weise mit Möglichkeiten und Grenzen von Klimamodellen wenigstens einigermaßen vertraut zu machen. Das geschieht am besten schon im Schulunterricht oder wenigstens im Studium. Tatsächlich sind zu diesem Zweck einige einfache Klimamodelle entwickelt worden. Dazu gehören etwa das „Very, Very Simple Climate Model“ des National Center for Atmospheric Research in Boulder, USA, oder das komplexere Educational Global Climate Model (EdGCM) der NASA und der Columbia University, die beide auf normalen PCs laufen.

Ein weiteres einfaches Klimamodell für Lehrzwecke ist das Monash Simple Climate Model (MSCM), das ursprünglich an der Monash-University in Melbourne für den universitären Unterricht entwickelt wurde und inzwischen mit einer zusätzlichen Basisversion für Schulen auf einem Server des Deutschen Klimarechenzentrums (DKRZ) in Hamburg läuft.  Monash Simple Climate Model (MSCM) am DKRZ

Das MSCM kann direkt im Internet mit einem gängigen Browser aufgerufen werden und erlaubt zahlreiche Experimente vor allem zu drei unterschiedlichen Aspekten: 1. zum Verständnis des Klimasystems, 2. zur Reaktion des Klimasystems auf eine Verdoppelung der CO2-Konzentration (d.h. zur Klimasensitivität) und 3. zu Szenarien der künftigen Klimaentwicklung durch die Emission von anthropogenen Treibhausgasen (Dommenget, D. et al:, 2019). Die Ergebnisse der Experimente werden unmittelbar als vorprozessierte Graphiken aus einer Datenbank abgerufen.

Prozesse im Klimasystem des MSCM

Prozesse im Klimasystem des MSCM

Die Simulationen des MSCM basieren auf einem globalen Energiebilanzmodell, das die kurzwelligen Strahlungsflüsse von der Sonne und ihre Reflexion sowie die langwellige Abstrahlung von der Erde erfasst. Das Modell besitzt eine relativ grobe Auflösung von 3,75° x 3,75° und simuliert im Vergleich zu globalen Zirkulationsmodellen physikalische Prozesse im Klimasystem auf eine sehr vereinfachte Art und Weise. So wird das globale Klima auf lediglich drei verschiedenen vertikalen Levels (Erdoberfläche, Atmosphäre und Ozean) abgebildet. Die atmosphärische Zirkulation und Meeresströmungen werden nicht berücksichtigt. Die Wolkenbedeckung wird saisonal als Randbedingung vorgegeben. Feedback-Prozesse von Wolken auf externe Antriebe fehlen also ebenso wie die natürliche interne Klimavariabilität. Andere wichtige Prozesse im Klimasystem sind jedoch Bestandteil des Modells. Neben den Strahlungsflüssen werden etwa der Wärmetransport und der Wasserkreislauf dargestellt, ebenso die Treibhauswirkung von CO2 und wichtige Feedbacks wie die Wasserdampf- oder die Eis-Albedo-Rückkopplung (siehe Abbildung oben).

Durch Isolierung einzelner Bestandteile des Klimasystems können deren Auswirkungen auf die Oberflächentemperatur im Jahresgang und regional dargestellt werden, z.B. von Eis und Schnee, dem Ozean oder von Kohlendioxid. Die Temperatureffekte werden für jeden Monat in globalen Karten und alternativ in einer Zeitreihe gezeigt. Auf diese Weise kann ein Verständnis über die Rolle einzelner Klimakomponenten im Klimasystem erzielt werden, z.B. über die jahreszeitlich ausgleichende Wirkung des Ozeans, die stark abkühlende Wirkung von Wolken oder den Treibhauseffekt von Kohlendioxid.

Vergleich der Änderung der Oberflächentemperatur 1951-2065 nach den beiden Szenarien RCP8.5 (links) und RCP2.6 (rechts)

Vergleich der Änderung der Oberflächentemperatur 1951-2065 nach den beiden Szenarien RCP8.5 (links) und RCP2.6 (rechts)

Eine andere Serie von Experimenten stellt die Wirkung von sich ändernden externen Antrieben auf die Oberflächentemperatur und andere Parameter der Erde dar. Berücksichtigt sind die RCP-Szenarien des CO2-Antriebs bis 2100 sowie idealisierte Änderungen der CO2-Konzentration (Verdoppelung, Vervierfachung etc.). Das Modell erlaubt auch den Vergleich von zwei Szenarien, z.B. von RCP8.5 und RCP2.6 (siehe Abbildung oben). Außerdem können auch Änderungen des Antriebs der Sonne, wie sie etwa für das Eiszeitalter typisch sind, simuliert werden. Die regionalen Unterschiede der Temperaturänderungen werfen Fragen nach den Ursachen auf, die mit den Kenntnissen über die Wechselwirkungen im Klimasystem beantwortet werden können.

Autoren

Dr. Dieter Kasang
im Auftrag vom Climate Service Center des Helmholtz-Zentrums Geesthacht

Michael Böttinger,
Deutsches Klimarechenzentrum (DKRZ)

Dr. Bente Tiedje
Climate Service Cernter Germany (GERICS)

Quellen