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09.12.2024

Extreme Ereignisse (Update) Extreme Wetterereignisse verursachen jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe. Welche Rolle spielt dabei der Klimawandel? Wie können wir Schäden vermeiden?

Schäden durch Hagel

Einführung

Hagel verursacht immer wieder erhebliche Schäden an Gebäuden, Fahrzeugen und landwirtschaftlichen Kulturen (Abbildung 1). Die Schadensummen können in Einzelfällen mehrere Milliarden Euro betragen (Kunz et al., 2018). Nach Angaben der Swiss Re (Swiss Re, 2024) sind Schwergewitter (Severe Convective Storms, SCS) nach tropischen Wirbelstürmen die zweitgrößte schadenverursachende Gefährdungsart weltweit. Im Zeitraum 2014-2023 beispielsweise entfielen inflationsbereinigt im Durchschnitt mehr als 32 % der gesamten jährlichen versicherten Schäden aus Naturkatastrophen auf SCS, wobei 50 bis 80% der Schäden durch SCS auf großen Hagel zurückzuführen sind.

Hagel besteht aus gefrorenem Wasser mit vielen Lufteinschlüssen. Die Form der Hagelkörner ist sehr variabel und kann rund, oval, konisch oder abgeplattet sein, teilweise mit unregelmäßigen säulenförmigen Anlagerungen. Definitionsgemäß hat Hagel einen Durchmesser von mindestens 0,5 cm. Das bisher größte, bisher in Deutschland dokumentierte Hagelkorn hatte einen Durchmesser von 14 cm bei einem Gewicht von 360 g (6. August 2013, Schwäbische Alb), das größte Hagelkorn in Europa hatte einen maximalen Durchmesser von 19 cm (Juli 2023 Norditalien).

Abb. 1: Verschiedene Formen großer schadenrelevanter Hagelkörner (oben; www.pixaby.com) und typische Schadenmuster an Gebäuden (hier nach dem schweren Hagelsturm in Reutlingen am 28.07.2013; unten, M. SCHMIDBERGER).

Abb. 1: Verschiedene Formen großer schadenrelevanter Hagelkörner (oben; www.pixaby.com) und typische Schadenmuster an Gebäuden (hier nach dem schweren Hagelsturm in Reutlingen am 28.07.2013; unten, M. SCHMIDBERGER).

Hagelbildung

Hagel bildet sich im Bereich des Aufwinds organisierter Gewittersysteme wie Multizellen, Superzellen oder mesoskalige konvektive Systeme. Da für Gefrierprozesse spezielle Aerosole, sogenannte Eiskeime, notwendig sind, deren Anzahldichte in der Luft aber sehr gering ist, herrscht im Temperaturbereich zwischen 0 und −38°C üblicherweise eine hohe Konzentration an unterkühlten Tröpfchen vor – Flüssigwasser trotz einer Temperatur unterhalb des Gefrierpunkts (Pruppacher und Klett, 2010). Treffen unterkühlte Tröpfchen auf die wenigen Eisteilchen, kommt es zum spontanen Gefrieren (Bereifen), bis sich daraus Graupel und schließlich Hagel bildet. Je länger die Verweildauer der Eisteilchen und je höher die Konzentration der unterkühlten Tröpfchen im Aufwind einer Gewitterzelle sind, desto größer können die Hagelkörner werden. Insbesondere in Superzellen, die aufgrund der Änderung des Horizontalwinds mit der Höhe um eine vertikale Achse rotieren, sind die Bedingungen für großen Hagel ideal.

Da der Aufwindbereich von Gewittersystemen sowohl zeitlich als auch räumlich stark begrenzt ist, sind die von Hagel betroffenen Flächen meist sehr kleinräumig. Eine radarbasierte Analyse von Schwergewittern in Deutschland beispielsweise ergab eine mittlere Länge der Hagelereignisse von 48,0 +/- 46,7 km (Mittel und Standardabweichung; Puskeiler et al. 2016).

Beobachtung von Hagel und Analyse der Hagelgefährdung

Für die Bestimmung der Hagelgefährdung (= Intensität × Wahrscheinlichkeit) sind Informationen über das Auftreten von Hagel über einen möglichst langen Zeitraum notwendig. In Deutschland sind jedoch keine direkten Beobachtungssysteme für Hagel installiert – ein großes Problem für die Hagelforschung und für die Analyse der Hagelgefährdung und des -risikos. Jedoch kann in gewissen Grenzen aus Daten von Fernerkundungssystemen wie Niederschlagsradaren oder Satelliten indirekt auf Hagel geschlossen werden. Darüber hinaus können die atmosphärischen Bedingungen, die für die Entstehung von Hagelstürmen relevant sind, aus beobachteten oder modellierten Vertikalprofilen geeigneter meteorologischer Größen ermittelt werden, die meist über mehrere Jahrzehnte in der Vergangenheit und der Zukunft verfügbar sind.

Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) werden Daten des Radarverbunds des Deutschen Wetterdienstes (DWD) mit Schadendaten von Versicherungen verknüpft, um daraus möglichst umfassend schadenrelevante Hagelzüge der vergangenen Jahre zu detektieren (Schmidberger, 2018; Kunz et al., 2020; Fluck et al., 2021). Dazu wird vor allem die Vertikalausdehnung hoher Radareflektivitäten als Kriterium herangezogen, da Hagel nur in Gewitterwolken mit einer großen Vertikalausdehnung entstehen kann. Die so bestimmten Hagelsignale zeigen eine erhebliche räumliche Variabilität der Hagelwahrscheinlichkeit (Abbildung 2). Der Hot Spot der Hagelhäufigkeit liegt in Baden-Württemberg stromab des Schwarzwalds, also im Neckartal und auf der Schwäbischen Alb.

Abbildung 2: Anzahl Tage mit Schwergewittern / Hagel pro Jahr in Deutschland zwischen 2005 und 2023 für Flächen der Größe 1 x 1 km² (KIT 2024; nach Schmidberger, 2018)

Abbildung 2: Anzahl Tage mit Schwergewittern / Hagel pro Jahr in Deutschland zwischen 2005 und 2023 für Flächen der Größe 1 x 1 km² (KIT 2024; nach Schmidberger, 2018)

Trends von Hagelstürmen und atmosphärischen Bedingungen

Mögliche Veränderungen der Hagelgefährdung in einem sich wandelnden Klima sind aufgrund des Mangels an direkten Messungen sehr schwer zu untersuchen und zu bewerten. Auch sind regionale Klimamodelle (RCM) oder Reanalysen (noch) nicht in der Lage, Hagelstürme verlässlich zu simulieren. Zwar können hochaufgelöste numerische Modelle mit komplexen mikrophysikalischen Schemata die Entstehung von Graupel und Hagel annähernd realistisch simulieren (z.B. Kunz et al. 2018), allerdings sind der damit verbundene Rechenaufwand und die Unsicherheiten bei den mikrophysikalischen Parametern (z.B. Aerosolkonzentration) zu hoch, um diese Modelle derzeit operationell in der Wettervorhersage oder der Klimamodellierung einzusetzen.

In ihrem Review-Artikel kommen Raupach et al. (2021) zu dem Schluss, dass in Zukunft mit ähnlichem oder weniger kleinem, aber mehr größerem Hagel zu rechnen ist. Dieser zweigeteilte Trend erklärt sich durch die Interaktion mehrere Faktoren und Prozesse, die durch den Klimawandel modifiziert werden. Ein Anstieg des Wassergehalts in der Atmosphäre durch die Temperaturzunahme und die daraus resultierende höhere konvektive Energie beispielsweise begünstigt die Häufigkeit und Intensität der SCS und des Hagels. Auf der anderen Seite schmelzen infolge des Anstiegs der Schmelzschichthöhe vor allem kleinere Hagelkörner auf ihrem Weg zu Boden, während größere Hagelkörner davor nur marginal betroffen sind. Die vorliegenden Studien zur Hagelhäufigkeit zeichnen entsprechend kein klares und eindeutiges Bild und widersprechen sich zum Teil. Vor allem Studien, die sich auf Umgebungsparameter von Reanalysen oder Klimamodellen stützen (Mohr und Kunz, 2013, Mohr et al. 2015A, B; Rädler et al. 2017, Battaglioli et al. 2023) zeigen einen starken Anstieg in der Häufigkeit der Hagelereignisse für weite Teile Europas. Dieser positive Trend wird aber durch die leider nur in wenigen Regionen installierten Netzwerke mit sog. Hailpads (Styroporplatten, aus denen die Größenverteilung der Hagelkörner abgeleitet werden kann) nicht wiedergegeben. Analysen von Hailpads in Norditalien und im Westen Frankreichs deuten auf eine leichte Verschiebung hin zu weniger, aber größeren Hagelkörnern hin (z. B. Manzato 2022).

Um zu belastbareren Ergebnissen hinsichtlich der Frage noch Trends für die Vergangenheit und Zukunft zu gelangen, ist hier weitere unbedingt Forschung notwendig.

Autoren

PD Dr. Michael Kunz,
Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-TRO),
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe

Quellen