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04.03.2013

Klimawandel in Norddeutschland Wie wirkt sich der Klimawandel in Norddeutschland aus? Erfahren sie mehr über die regionale Ausprägung des Klimawandels und die Anpassungsfähigkeit von Ökosystemen und Bevölkerung.

Auswirkungen des Klimawandels auf die Ökosysteme der Nordsee

Auf der Basis von Messdaten lassen sich verhältnismäßig gute Aussagen zur bisherigen Änderung der Meeresoberflächentemperaturen machen. Demnach hat sich die Meeresoberflächentemperatur bei Helgoland im Zeitraum von 1873 bis 1995 um etwa 0,6 bis 0,8 °C erhöht. Im Zeitraum von 1962 bis 2012 stieg die Meeresoberflächentemperatur bei Helgoland im Jahresmittel um etwa 1,7°C (Wiltshire 2010, Kraberg et al. 2012).

Abbildung 7 zeigt den linearen Trend der Meeresoberflächentemperatur über jeweils 20 Jahre. Es wird deutlich, dass die Erwärmung seit 1985 die stärkste seit Beginn der Messungen in Helgoland ist. Parallel dazu werden weniger starke Eiswinter beobachtet. Für die Zukunft wird eine weitere Erwärmung des Wasserkörpers im Bereich der Deutschen Bucht von etwa 1 bis 2°C bis 2100 erwartet (Weisse et al. 2011).

Abb. 7: Lineare Trends der SST bei Helgoland über jeweils 20 Jahre. Die Trends beginnen jeweils in dem auf der x-Achse angegebenen Jahr (Weisse et al. 2011)

Abb. 7: Lineare Trends der SST bei Helgoland über jeweils 20 Jahre. Die Trends beginnen jeweils in dem auf der x-Achse angegebenen Jahr (Weisse et al. 2011)

Zurzeit findet ein Einzug von neuen Arten in Nordsee, Elbe und Weser statt. Diese haben sich teilweise erfolgreich angesiedelt und zeigen sogar eine erhebliche Ausdehnung. Es ist zu erwarten, dass ein weiterer Anstieg der Wassertemperaturen zur Verschiebung von Tier- und Pflanzenarten führen wird. Diese werden aber nicht wie oft beschrieben unbedingt zu einem Rückgang der Biodiversität (Artenvielfalt) führen – im Gegenteil: Momentan ist in der südlichen Nordsee ein Anstieg vor allem benthischer Arten (Lebensgemeinschaften im und auf dem Meeresboden, zu denen hauptsächlich wirbellose Tiere und Bodenfische zählen) zu verzeichnen, da zwar neue Arten durch den Anstieg der Temperaturen einwandern, heimische Arten aber nicht verdrängt werden. Natürlich muß weiter beobachtet werden, ob/wie lange dieser Trend Bestand hat, sollten die Wassertemperaturen weiter steigen (Wiltshire et al. 2011). Zusätzlich können eingewanderte Arten auch als Futterquelle oder Habitat für heimische Arten dienen. Ein Beispiel für letzteres Phänomen ist die Braunalge Sargassum muticum (Polte und Buschbaum 2008).

In Abbildung 8 sind Ergebnisse eines Fischmonitorings ca. 30 Seemeilen nordwestlich von Helgoland dargestellt. Sie zeigen im Zeitraum von 1958 bis 2005 deutliche Veränderungen des Fischbestandes. Bis 1993 machten Kabeljau und Wittling einen dominanten Anteil aus. Seit dem hat sich der Anteil dieser Arten stark reduziert und ist bis 2006 fast völlig verschwunden (Colijn et al. 2011). Neben der Fischerei wird als Ursache hierfür der Klimawandel gesehen. Insbesondere das Ausbleiben strenger Winter und häufige Südwestwinde, mit denen wärmeres Wasser durch den Ärmelkanal in die Nordsee einströmt, sind für die Änderungen der Fischfauna ausschlaggebend (Colijn et al. 2011).

Abb. 8: Box A; Deutsche Bucht: Veränderungen in der sommerliche Artenzusammensetzung im Zeitraum 1987 bis 2008 (aus: Colijn und Fanger 2011)

Abb. 8: Box A; Deutsche Bucht: Veränderungen in der sommerliche Artenzusammensetzung im Zeitraum 1987 bis 2008 (aus: Colijn und Fanger 2011)

Bei höheren Temperaturen können zudem vermehrt Quallen auftreten, die als Nahrungskonkurrenten vieler Fischarten zusätzlich zu einer Gefährdung der Fischbestände führen. Auch klimatisch bedingte Verschiebungen in der Artenzusammensetzung des Planktons und dessen zeitlichen Auftretens könnten sich negativ auf bestimmte Fischarten auswirken.

Beim Benthos (Lebensgemeinschaften im und auf dem Meeresboden, zu denen hauptsächlich wirbellose Tiere und Bodenfische zählen) sind temperaturbedingte Artenverschiebungen in der Nordsee ebenfalls bereits feststellbar. Ein weiteres deutliches Beispiel ist die Ansiedlung der pazifischen Auster im Wattenmeer (Abb. 9), deren Etablierung durch milde Wintertemperaturen ermöglicht wurde. Die zunehmende Versauerung der Nordsee wird kalkhaltige Arten benachteiligen und nicht kalkhaltige Arten begünstigen. Insgesamt kann es durch zeitliche Verschiebungen in den Entwicklungsphasen der Arten (z.B. Reproduktionszeit von Fischen, Zeitpunkt der Phytoplanktonblüte etc.) zu Fehlanpassungen innerhalb der Nahrungs- und Beutebeziehungen kommen (Colijn und Fanger et al. 2011).

Für die Zukunft wird erwartet, dass sich der Anstieg der Temperatur in Verbindung mit trockeneren Sommern weiter fortsetzt. Eine Folge wären kleinere Abflussmengen aus den Einzugsgebieten von Eider, Elbe, Weser und Ems als bisher. Dieses wiederum könnte den sommerlichen Sauerstoffmangel in den Tideflüssen weiter verstärken und in Verbindung mit höheren Temperaturen zu vermehrtem Fischsterben führen (Colijn und Fanger et al. 2011).
 siehe dazu den Abschnitt: "Mögliche zukünftige Klimaänderungen in Norddeutschland bis 2100"

Abb. 9: Ein Riff der Pazifischen Auster (Crassostrea gigas) im Rückseitenwatt der Ostfriesischen Insel Juist (Foto: A. Wehrmann) (aus: Colijn und Fanger 2011)

Abb. 9: Ein Riff der Pazifischen Auster (Crassostrea gigas) im Rückseitenwatt der Ostfriesischen Insel Juist (Foto: A. Wehrmann) (aus: Colijn und Fanger 2011)

Autoren

Dr. Alexandra Kraberg
Biologische Anstalt Helgoland
am Alfred Wegener Institut

Portrait Insa Meinke
Dr. Insa Meinke
Norddeutsches Klimabüro
am Institut für Küstenforschung
des Helmholtz-Zentrums Geesthacht