Klimawandel, Klimaschutz und Konsumverhalten
Einführung: Klimawandel und nachhaltiger, klimafreundlicherer Konsum
Durch das Pariser Abkommen wurde das Klimaschutzziel bekräftigt, die mittlere globale Er-wärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind erhebli-che Reduzierungen der Treibhausgasemissionen erforderlich, die nur durch grundlegende und substantielle Veränderungen der heutigen Produktions- und Konsummuster erreicht werden können. Auch mit aus diesen Überlegungen sind private Konsumenten und Konsu-mentinnen im Fokus der Umweltschutz- und Klimaschutzpolitik. Sie werden häufig als be-deutsame ‚change agents‘ für klimawandelbezogene Verhaltensänderungen in Richtung auf einen nachhaltigeren Konsum betrachtet und von der Umweltpolitik auch als solche adres-siert (siehe z. B. Barr et al. 2011b). So wird in einer vom Umweltbundesamt herausgegebe-nen Broschüre zum Klimaschutz ausgeführt: „Wir, als klimabewusste Menschen, können der Politik vorausgehen“ (UBA 2014, S. 5). Gleichwohl werden Fragen der Umweltverantwortung und der klimawandelmotivierten Veränderungsbereitschaft privater Konsumenten und Kon-sumentinnen kontrovers diskutiert.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass nachhaltiger, klimafreundlicherer Konsum zwei Dimensio-nen umfasst, die sich wechselseitig ergänzen: Erstens gehört dazu der Kauf von nachhalti-geren und klimafreundlicheren Produkten, z.B. durch die Nachfrage nach energieeffizienten Elektrogeräten, nach Öko-Strom oder nach Bio-Lebensmitteln (‚anders konsumieren‘). Für das Erreichen von Klimaschutzzielen unverzichtbar gilt darüber hinaus die Reduzierung des Konsumniveaus, z.B. durch eine Verminderung des Konsums tierischer Lebensmittel, durch Nutzungsdauerverlängerung oder Nutzungsintensivierung beispielsweise durch CarSharing (‚weniger konsumieren‘) (Jackson 2006, Weller 2008).
Empirische Daten zur Problemwahrnehmung des Klimawandels
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Vor diesem Hintergrund wird seit mehreren Jahren der Einfluss von (Umwelt)Einstellungen und der Wahrnehmung der Risiken des Klimawandels auf das Konsumverhalten bzw. seinen Veränderungsmöglichkeiten untersucht. Für eine leicht zunehmende Bedeutung von Klimaschutzaspekten bei Konsumentscheidungen angesichts der stärkeren Präsenz von Klimawandeldebatten sprechen Ergebnisse der Markt- und sozialwissenschaftlichen Umweltforschung seit Mitte der 2000er Jahre (siehe z.B. BMU/UBA 2006, GfK 2007, BMU/UBA 2017). In eine ähnliche Richtung argumentieren die Debatten über die „Moralisierung der Märkte“ (Adolf/Stehr 2011, Stehr 2007), die von einem Wertewandel in der Gesellschaft ausgehen und daraus die Erwartung ableiten, dass die Bereitschaft steigt, sich klimafreundlicher und nachhaltiger zu verhalten (WBGU 2011). Diese Einschätzung kann sich auf eine Vielzahl repräsentativer empirischer Studien auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene stützen.
So nimmt ein vergleichsweise großer Teil der Befragten den Klimawandel als bedeutsames Problem wahr, beispielsweise 90% der Befragten beim Eurobarometer 2008 und 89% beim Eurobarometer 2011 (siehe z.B. BMU/UBA 2010, EU 2008, EU 2011, Prognos 2010, Weber 2008). Auch bei der letzten Befragung auf EU-Ebene gaben 74% an, den Klimawandel als sehr ernstes Problem einzuschätzen (EU 2017). Nach der aktuellen repräsentativen Befragung von BMU und Umweltbundesamt zu den Umwelteinstellungen in Deutschland stuften 87% den Klimawandel als sehr bzw. eher bedrohlich ein (BMU/UBA 2017).
Auf lokaler Ebene wurde die Wahrnehmung des Klimawandels im Alltag und seine Bedeu-tung für das Konsumverhalten im Rahmen des Forschungsverbunds „nordwest2050 - Perspektiven für klimaangepasste Innovationsprozesse in der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten“ [Finanziert durch das BMBF-Förderprogramm „Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten (KLIMZUG)“] mit untersucht [Die hier vorgestellten Ergebnisse wurden gemeinsam mit Hanna Krapf, Karin Fischer und Dr. Diana Wehlau erarbeitet] (Weller et al. 2010). Im Fokus dieser qualitativen Untersuchung standen Erkenntnisse über subjektive Sichtweisen und Perspektiven auf klimawandelbezogene Problemstellungen in drei unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen. Entscheidend für ihre Auswahl waren plausibilisierte Annahmen über ihre Umwelteinstellungen und ihre Einkommenssituation, beide gelten als Einflussfaktoren für nachhaltiges Konsumverhalten (siehe z.B. Defila et al. 2011, Krapf/Wehlau 2009, Reusswig et al. 2012, UNEP 2010, Kleinhückelkotten et al. 2016). Die erste Gruppe setzte sich aus Mitgliedern in einem Umweltverband zusammen, bei denen eine überdurchschnittlich hohe Umweltorientierung angenommen wurde. Die zweite Untersuchungsgruppe wurde aus Alleinerziehenden und Familien aus Stadtteilen mit hoher Armutsrate gebildet. Bei der dritten Gruppe, der so genannten Vergleichsgruppe, bestanden weder über die Umwelteinstellungen noch über die Einkommenssituation spezifische Vorannahmen. Methodisch basierte die Studie auf Fokusgruppen und daran anknüpfende Einzelbefragungen (Flick 2007). Beide Methoden haben sich auch in ihrer Kombination für umwelt- und klimawandelbezogene Fragestellungen bewährt (siehe z.B. Barr et al. 2011, Henseling et al. 2006, Weber 2008).
Als übergreifendes Ergebnis wurde deutlich, dass der Klimawandel im Alltag bei einem Großteil der Befragten präsent ist. Dies zeigte sich u.a. daran, dass damit eine Vielzahl alltäglicher Beobachtungen über Umwelt- und Wetterveränderungen in Verbindung gebracht wurden. Die Präsenz des Klimawandels in der Alltagswahrnehmung wurde insgesamt und auch für den norddeutschen Raum durch mehrere Studien bestätigt (Ratter 2018). Damit einher geht allerdings auch eine deutliche Unsicherheit, inwiefern diese Alltagserfahrungen tatsächlich auf den Klimawandel zurückgeführt werden können. Diese Ergebnisse schließen z.B. an Studien von Akerlof et al. an, die zu ähnlichen Ergebnissen über die Art der mit dem Klimawandel assoziierten Alltagserfahrungen sowie über die Unsicherheit ihrer klimawandel-bezogenen Bedeutung kommen (Akerlof et al. 2013). In der Einordnung der Debatte über den Klimawandel waren allerdings Unterschiede zwischen den drei Gruppen zu erkennen: Die Mitglieder des Umweltverbandes nahmen die Diskussion um die globale Erwärmung als eine Art Neuauflage im Diskurs um dringende Umweltprobleme wie zuvor Waldsterben oder die Risiken der Atomkraft wahr. Für die Familien mit erhöhtem Armutsrisiko und die ‚Vergleichsgruppe‘ bedeutete dagegen die Klimawandeldebatte eher ein eigenes bzw. ein neues Thema. Dies schließt an Erkenntnisse über Unterschiede in der Problemwahrnehmung zwi-schen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen an, beispielsweise zeigte sich bei Befragten aus höheren sozialen Lagen ein höheres allgemeines Umwelt- bzw. Klimawandelbewusstsein (Kleinhückelkotten et al. 2016, Ernst et al. 2016).
Einfluss klimawandelbezogener Einstellungen auf das Konsumverhalten
Während das vergleichsweise hohe klimawandelbezogene Problembewusstsein unstrittig ist, wird sein Einfluss auf das Konsumverhalten kontrovers eingeschätzt. Auf den ersten Blick sprechen empirische Ergebnisse insbesondere von repräsentativen Studien für eine vergleichsweise hohe Bereitschaft, bei Konsumentscheidungen Klimaschutzaspekte mit zu berücksichtigen. So zeigten sich bei einer Studie im Auftrag des Bundesverbands Verbraucherberatung 85% der Befragten bereit, sich für den Klimaschutz zu engagieren (Prognos 2010). Eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so hohe Verhaltensbereitschaft bestätigen die Ergebnisse der Eurobarometer zu Klimawandel: 61% der Befragten des Eurobarometers 2008, 53% des entsprechenden Eurobarometers 2011 und 49% des Eurobarometers 2017 gaben an, persönlich aktiv bei der Bekämpfung des Klimawandels gewesen zu sein (EU 2008, EU 2011, EU 2017). Darunter wurden allerdings vorrangig Abfalltrennung (71% der Befragten) und eine Reduzierung des Abfall- und Verpackungsaufkommens (56% der Befragten) verstanden. Diese Handlungsoptionen weisen eine eher geringe Klimarelevanz auf und gehören zu den Verhaltensumstellungen mit vergleichsweise geringem Zusatzaufwand (‚low cost‘).
Verhaltensumstellungen mit hoher Ressourceneinsparung wie z.B. der Umstieg von Auto- auf andere Formen der Mobilität (26% der Befragten) oder der Kauf eines Autos mit geringem Benzinverbrauch (9% der Befragten) stießen dagegen auch aktuell auf deutlich weniger Resonanz (EU 2017). Bei der neuesten Untersuchung von BMU und UBA zum Umweltbewusstsein in Deutschland wurde von 28% als Engagement für Umwelt- und Klimaschutz individuell-ethisches Handeln im Alltag genannt, was insbesondere bedeutet, ökologischere und fair hergestellte Produkte nachzufragen. Diese Veränderungen erstrecken sich damit im Sinne von ‚anders konsumieren‘ auf Veränderungen in den Kaufentscheidungen (BMU/UBA 2017, Weller 2016). Nur verhaltene Unterstützung zeigte sich dagegen auch bei dieser Befragung für Klimaschutzaktivitäten im Alltag wie z.B. die Reduzierung der Automobilität oder des Fleischkonsums, die sich auf die Dimension ‚weniger konsumieren‘ beziehen. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Studie von Prognos: „Generell sind die Verbraucher eher bereit, klimafreundlichere Konsumoptionen umzusetzen als vollständigen Verzicht zu üben (Prognos 2010, S. 3).
Darüber hinaus wurden hier ebenso wie in der Studie von Prognos sowie bei einer Metaanalyse mehrerer Forschungsprojekte zu den sozialen Dimensionen des Klimawandels Differenzen in den Reaktionen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen und sozialer Milieus auf die Herausforderungen des Klimawandels deutlich. Der Einfluss sozioökonomischer Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht oder Migrationshintergrund wurde ebenfalls aufgezeigt (Prognos 2010, Ernst et al. 2016, BMU/UBA 2017). Auf Unterschiede in möglichen Veränderungen des Konsumverhaltens weisen auch die Ergebnisse der schon erwähnten eigenen Untersuchung der Frage hin, inwieweit die Klimawandeldebatte neue Impulse für im Alltag umsetzbare Verhaltensänderungen bietet (Weller et al. 2010). In den drei Untersuchungsgruppen ließen sich diesbezüglich unterschiedliche Reaktionen erkennen: Die Mitglieder des Umweltverbandes entnahmen der Klimawandeldebatte keine neuen Anstöße für Veränderungen ihres Konsumverhalten. Sie sahen sich dadurch vielmehr in ihrem nach eigenen Maßstäben ohnehin schon stark ökologisch ausgerichtetem Verhalten bestätigt. Die Gruppe mit erhöhtem Armutsrisiko berichtete ebenfalls nicht von explizit klimawandelbezogenen Veränderungen. Hier wurde klimafreundliches Verhalten insbesondere mit (Mehr-)Kosten und Zusatzbelastungen assoziiert und wegen enger finanzieller und zeitlicher Spielräume als kaum umsetzbar betrachtet. Gleichwohl orientierten sich auch einige Personen aus dieser Gruppe in ihrem Alltag an ökologischen Aspekten. Dies führten sie nicht speziell auf den Klimawandel, sondern auf Umweltschutzgründe allgemein zurück. Darüber hinaus wurde in dieser Gruppe aus finanziellen Erwägungen insbesondere der Verbrauch direkter Ressourcen wie z. B. Heizenergie oder Strom gezielt reduziert. Nur Personen aus der ‚Vergleichsgruppe‘ führten die Klimawandeldebatte explizit als Impuls für klimafreundlichere Veränderungen ihres Verhaltens an und begründeten damit einzelne Modifikationen ihrer alltäglichen Konsumentscheidungen. Für mehrere Teilnehmende aus dieser Gruppe hat die Intensivierung der Klimawandeldebatte dazu geführt, mehr über das eigene Konsumverhalten nachzudenken und in einigen Bereichen bewusster mit den Ressourcen umzugehen bzw. sich einzuschränken. Der Vergleich dieser drei Gruppen lenkt somit die Aufmerksamkeit nicht nur auf die Bedeutung von Einstellungen, sondern auch auf die jeweilige Einkommenssituation.
Insgesamt zeigt sich ein deutliches Spannungsverhältnis zwischen klimawandelbezogener Problemwahrnehmung, der geäußerten Verhaltensbereitschaft und dem tatsächlichen Verhalten, das direkt an die langjährigen Debatten über die Diskrepanzen zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten allgemein anschließt (siehe z.B. Diekmann/Preisendörfer 1992). Nach einigen neueren Untersuchungen kann die Klimawandeldebatte diese Kluft sogar noch verschärfen und bei privaten Konsumenten und Konsumentinnen dazu beitragen, die Relevanz klimaschutzbezogenen Verhaltens in Frage zu stellen (Barr et al. 2011). Dies wird mit darauf zurückgeführt, dass die Debatten über den Klimawandel anders als über Umwelt- und Naturschutz allgemein erheblich von Skepsis, Unsicherheiten und mangelndem Vertrauen in Informationsquellen geprägt sind (Ratter 2018). Diese Besonderheit der Klimawandeldebatte kann insofern als spezielle Barriere für klimawandelbezogene Verhaltensänderungen betrachtet werden (Barr et al. 2011, Lorenzoni et al. 2007, Semenza et al. 2008).
Im Kontext der Forschung zu nachhaltigem Konsum wird die Verhaltensrelevanz von (umwelt- und klimawandelbezogenen) Wissen, Einstellungen und Werten insgesamt ebenfalls als eher gering eingeschätzt (siehe z.B. Jackson 2006, Reisch/Hagen 2011, Weller 2008). Vielmehr wird auf die Komplexität von Konsummustern hingewiesen, die von weiteren Einflussfaktoren wie z.B. strukturelle Gegebenheiten, ökonomische Rahmenbedingungen, Lebens- und Konsumstile, die Einbindung in komplexe Versorgungssysteme, Entscheidungskontexte und Verhaltensroutinen abhängen (siehe z.B. Brand 2009, Ernst 2010, Southerton et al. 2004, Defila et al. 2011, Blättel-Mink 2016). Nachhaltiges Konsumverhalten lässt sich nach Reisch und Hagen als besonders voraussetzungsvoll und zeitaufwändig verstehen, da es u.a. zusätzliche Informationen und Veränderungen in den eingespielten Routinen erfordert (Reisch/Hagen 2011). Zudem wurde eine Reihe von Hemmnissen identifiziert, die die Umsetzung nachhaltigen Konsums im Alltag erschweren und behindern (siehe z.B. Barr et al. 2011, Lorenzoni et al. 2007, Semenza et al. 2008). In einer europäischen Untersuchung zum Energiesparen wurden beispielsweise als konkrete Umsetzungsbarrieren bestimmt: fehlende individuelle Wahlmöglichkeiten, mangelndes Vertrauen, persönlicher Geschmack, fehlende Gelegenheitsstrukturen, als gering wahrgenommene Wirksamkeit von Einsparmaßnahmen sowie Mangel an Komfort und Geld (Reusswig et al. 2012).
Zur Bedeutung klimawandelbezogener Einstellungen für die Reduzierung des Res-sourcenverbrauchs und der Treibhausgasemissionen des Konsums
In den vorangegangenen Überlegungen ist bereits angeklungen, dass die Wahrnehmung des Klimawandels und Umwelteinstellungen allgemein nur begrenzt Veränderungen des Konsums bewirken. Hier zeigt sich insbesondere mit Blick auf die beiden Dimensionen eines nachhaltigeren Konsums, anders und weniger konsumieren, dass Klima- und Umwelteinstellungen in manchen sozialen Milieus und gesellschaftlichen Gruppen insbesondere die Nachfrage nach klimafreundlicheren Produkten unterstützen können. Diese Handlungsoption des ‚anders konsumieren‘ steht insbesondere den sozialen Milieus offen, deren Einkommenssituation dies erlaubt, da nachhaltigere Konsumalternativen wie z.B. Bio-Lebensmittel, Ökostrom, energieeffiziente Haushaltsgeräte oder die Dämmung von Gebäuden und Wohnungen mit höheren Kosten verbunden sein können. Einkommensschwache Gruppen verfügen in dieser Hinsicht nur über beschränkte Handlungsmöglichkeiten (Weller et al. 2010, Birzle-Harder et al. 2013, Ernst et al. 2016).
Die Dimension des ‚weniger konsumieren‘, d.h. eine Reduzierung des Konsumniveaus und damit verbunden ein unterdurchschnittlicher Ressourcenverbrauch und Ausstoß von Treibhausgasen, zeigt sich dagegen als Folge eines (unfreiwilligen) Konsumverzichts insbesondere bei den Gruppen mit geringem Einkommen. Grundlage hierfür ist der in den letzten Jahren nachgewiesene enge Zusammenhang zwischen Einkommen und Ressourcenverbrauch/Treibhausgasemissionen der Konsummuster (siehe z.B. UNEP 2010, Kleinhückelkotten et al. 2016). Demnach korreliert der Ressourcenverbrauch eng mit dem Einkommen: Je höher das Einkommen, desto höher ist der Ressourcenverbrauch, d.h. je niedriger das Einkommen, desto geringer der Ressourcenverbrauch. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass der Einfluss von Umwelt- und Klimaeinstellungen deutlich geringer ist als der Einfluss der Einkommenssituation, auch wenn in speziellen sozialen Milieus wie dem kritisch-kreativen Milieu Umwelt- und Klimaeinstellungen zu einem etwas geringerem Ressourcenverbrauch führen, wie eine aktuelle Studie aufgezeigt hat (Kleinhückelkotten et al. 2016). Allerdings ist der Ressourcenverbrauch der gesellschaftlichen Gruppen mit geringem Einkommen (und einem geringeren Maß an Umwelt- und Klimaeinstellungen) in jedem Fall geringer.
Abschließend ist festzuhalten, dass der Einfluss der Wahrnehmung der Risiken des Klimawandels und Umwelteinstellungen auf die Treibhausgasemissionen und den Ressourcenverbrauch im Vergleich zum Einfluss des Einkommens deutlich weniger relevant ist. Für die Förderung von Klimaschutz im Alltag sind daher diese beiden Einflussfaktoren sowie auch die beiden Dimensionen zu berücksichtigen und für die unterschiedlichen Zielgruppen jeweils unterschiedliche Strategien zu entwickeln.
Selbstwahrnehmung ressourcenschonendes Konsumverhalten
Erste Ergebnisse liegen auch über die Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung von Konsumenten und Konsumentinnen über ihren Ressourcenverbrauch vor. Deutlich wurde z.B. in der bereits erwähnten Studie von Kleinhückelkotten et al. eine bemerkenswerte Diskrepanz. Konsumentengruppen mit hohen Einkommen und ausgeprägten Umwelt- und Klimaeinstellungen schätzten sich selbst als sparsam im Ressourcenverbrauch ein, Konsumentengruppen mit geringem Einkommen und geringerem Interesse an Umwelt- und Klimaschutz schätzten sich dagegen als wenig sparsam im Ressourcen- und Energieverbrauch ein. Insbesondere das prekäre Milieu nimmt sein Konsumverhalten als wenig ressourcenschonend wahr. Diese Selbstwahrnehmung entspricht aber nicht dem tatsächlichen Ressourcenverbrauch, hier zeigt sich wie bereits erwähnt, dass das prekäre Milieu den geringsten Ressourcenverbrauch aufweist, die Konsumentengruppen mit hohem Einkommen einen überdurchschnittlichen Ressourcenverbrauch aufweisen (Kleinhückelkotten et al. 2016). Die Differenzen sind mit darauf zurückzuführen, dass klimafreundlicherer und nachhaltiger Konsum häufig mit dem Kauf von ökologischeren Produkten gleichgesetzt wird und die Handlungsoption ‚weniger konsumieren‘ in den Klimadebatten deutlich weniger kommuniziert wird (Weller 2016). Diese Engführung von Klimaschutz im Alltag auf den Kauf klimafreundlicherer Produkte stellt eine Handlungsoption insbesondere für wohlhabendere gesellschaftliche Gruppen dar, die zudem die Möglichkeit haben, sich damit ein Mehr an „Gewissenswohlstand“ zu erwerben (Ullrich 2013: 127). Einkommensschwache Gruppen haben dagegen nur begrenzten Zugang zu dieser Form der Gewissensberuhigung, für sie wird ein „gutes Gewissen ein knappes Gut, womit sie einmal mehr in ein gesellschaftliches Abseits zu geraten drohen“ (Ullrich 2013: 218).
Dies schließt an Ergebnisse der eigenen Untersuchung an (Weller et al. 2010). Sie unterstreichen, dass die Diskussionen über den Klimawandel bei den Befragten durchaus die Notwendigkeit von Verhaltensänderungen vor Augen führen. So wurde in allen drei Gruppen eine hohe Bereitschaft für klimafreundliches Verhalten geäußert. Diese Einsicht allein bietet aber nur sehr begrenzt neue Impulse für Veränderungen, die sich im Alltag umsetzen lassen. Die Befragungsergebnisse illustrieren vielmehr, dass der alltäglichen Umsetzung eine Vielzahl an Hemmnissen im Wege steht. In den Fokusgruppen und Interviews wurden insbesondere die Überforderung und der Zusatzaufwand klimaverträglichen Konsumverhaltens, die Verunsicherung über die zur Verfügung stehenden Informationen, die mangelnde Transparenz über die ökologischen und sozialen Eigenschaften von Produkten sowie strukturelle Defizite als wirkmächtige Umsetzungsbarrieren benannt. Darüber hinaus wurde eine Vielzahl von Zielkonflikten deutlich, die die Entscheidungs- und Abwägungsprozesse im Alltag zugunsten ökologischer Alternativen erschweren. Im Ergebnis tragen diese Hemmnisse zu einem ‚Weiter so‘ in den alltäglichen Konsumroutinen bei, werden allerdings zum Teil von einem latent schlechten Gewissen begleitet.
Resümee
Für klimafreundlicheren und ressourcenschonenden Konsum sind Klimawandelbewusstsein und Umwelteinstellungen eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung. Die empirischen Daten unterstreichen die Präsenz des Klimawandels im Alltag, dass hieraus trotzdem nur wenig Veränderungen des Konsumverhaltens resultieren, ist auf Alltagsroutinen, Überforderung, Zielkonflikte, strukturelle Hemmnisse und fehlende Anreizstrukturen zurückzuführen. Für politische Maßnahmen und Strategien zur Förderung eines klimafreundlicheren Konsumverhaltens ist daher ihre Anschlussfähigkeit an die Lebensrealitäten der Einzelnen und die Berücksichtigung der Einbindung des Konsums in komplexe Versorgungssysteme zentral. Darüber hinaus sollten die Debatten über Klimaschutz im Alltag nicht allein auf Veränderungen im Kaufverhalten fokussieren, sondern vielmehr verstärkt und gezielt Fragen rund um ‚weniger konsumieren‘ aufgreifen und als einen wichtigen Beitrag für den Ressourcen- und Klimaschutz kommunizieren.
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