Zur Übersichtsseite "Dossiers"
30.04.2013

Klimawandel und Wirtschaft Der Klimawandel wird sich künftig verstärkt auf die Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen auswirken. Wie greift die Wirtschaft den Klimawandel auf?

Wie können Unternehmen einer Region durch Wissenschaft und Verwaltung bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden?

Die Frage, wie Unternehmen bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden können, setzt voraus, dass diese unterstützt werden wollen. Doch genau hier liegt die Herausforderung: Eine Befragung im Rahmen des ifo-Konjunkturtests Verarbeitendes Gewerbe im November 2010 unter ca. 2600 Unternehmen (Stechemesser/Günther, 2011) zeigte, dass die Unternehmen den Klimawandel noch nicht wirklich wahrnehmen.

© Thaut Images/fotolia

© Thaut Images/fotolia

Die Unternehmen sollten zum einen die Frage beantworten, wie sich Extremwetterereignisse (Hitzewellen, Kältewellen (inklusive Eis und Schnee), Trockenheit, Starkniederschlag und Stürme) auf die Wertschöpfung des Unternehmens in der Vergangenheit ausgewirkt haben. Zum anderen wurden die erwarteten Auswirkungen des prognostizierten Klimawandels auf einzelne Funktionsbereiche (Einkauf, Produktion, Absatz, Entsorgung, Logistik, Innovation und Personal) erfragt. 70 Prozent der Unternehmen nehmen keine Konsequenzen für ihren Arbeitsbereich wahr, 15Prozent fühlen sich negativ betroffen, nur 3 Prozent positiv. Diejenigen, die negative Auswirkungen sehen, differenzieren diese nach Kältewellen (25 Prozent), Hitzewellen (18 Prozent) und Starkniederschläge (16 Prozent). Für einige Unternehmen hatten Hitzewellen (4 Prozent) und Kältewellen (4 Prozent) einen positiven Einfluss. Interessanterweise wurden Stürme kaum genannt, obwohl sie aus volkswirtschaftlicher Sicht von großer Bedeutung sind (Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, MRV 2011). Andere Studien (z.B. Mahammadzadeh/ Chrischilles/Biebeler, 2013) kommen zu höheren Werten und vereinzelt zu Unterschieden in der Reihenfolge, was bei sozialwissenschaftlichen empirischen Erhebungen und bei unterschiedlichen Erhebungszeitpunkten nicht ungewöhnlich ist. Es ist durchaus möglich, dass dieser Unterschied an der Person des Beantworters liegt, der im Falle der ifo-Befragung nicht auf Umwelt- oder gar Klimafragen spezialisiert ist. In der Region Dresden von Wirtschaftswissenschaftlern durchgeführte Interviews bestätigen die Ergebnisse im Großen und Ganzen. Vereinzelt wird der Klimawandel von den Unternehmen wahrgenommen, doch eine Frage, mit der sich die Unternehmen vorrangig beschäftigen wollen, ist er (noch?) nicht.

These 1 lautet somit:
Der Klimawandel findet statt, doch die Unternehmen ignorieren ihn.

Somit muss die eingangs gestellte Frage anders gestellt werden:
Wie kann erreicht werden, dass Unternehmen einer Region durch Wissenschaft und Verwaltung bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden wollen?

Zwei weitere Thesen sollen diese Frage aufschlüsseln:

These 2:
Der Klimawandel wirkt in Jahrzehnten, Unternehmen denken bis zum nächsten Quartal, Politiker bis zur nächsten Wahl.

Die Herausforderung besteht vor allem in den auseinanderfallenden Zeithorizonten der Unternehmensführung und des Klimawandels: Werden in den Unternehmen häufig Amortisationszeiten von Investitionen von ein bis zwei Jahren erwartet, erfordert der Klimawandel ein Denken in Zeiträumen von bis zu 100 Jahren. Auch die Politik kann hier nur bedingt hilfreich sein. Denn auch für sie gilt: Die Zeiträume, in denen der Klimawandel stattfindet, liegen außerhalb der Erfahrungsbereiche von Entscheidern in Wirtschaft und Politik. Die Langfristigkeit des Klimawandels ist somit durch Naturwissenschaftler ins Bewusstsein von Politik und Wirtschaft zu rücken. Wirtschaftswissenschaftler können insbesondere Lösungen für die Unternehmen entwickeln, die Verwaltung hat die Aufgabe, politische Entscheidungen im Hinblick auf die Herausforderungen des Klimawandels zu prüfen. Extreme Ereignisse sind gesondert zu betrachten. Zudem müssen vor allem Chancen in den Vordergrund rücken, die wie oben dargestellt bisher noch kaum erkannt werden.

Wie kann nun dieses Dilemma gelöst werden?
Der Klimawandel ist im Rahmen der strategischen Planung gemeinsam mit anderen Umfeldbedingungen (demographischer Wandel, technologischer Wandel oder gesellschaftlicher Wandel) zu analysieren. In diese Betrachtung sollten alle Anspruchsgruppen, die in der Umfeldanalyse als relevant identifiziert wurden, einbezogen werden, beispielsweise der Gesetzgeber, die Kunden, Wettbewerber, aber auch Banken und Versicherungen. Im Vordergrund sollte somit nicht der Klimawandel als singuläres Phänomen stehen, sondern die Bedeutung der langfristigen Existenzsicherung für die Unternehmen.

Die Entwicklung von Szenarien für die Unternehmen kann diesen unternehmerischen Entscheidungsprozess unterstützen. Hierzu hat der Lehrstuhl für Betriebliche Umweltökonomie der Technischen Universität Dresden im Rahmen des Verbundprojektes REGKLAM der KLIMZUG-Fördermaßnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ein Instrument entwickelt, das auch von kleineren Unternehmen genutzt werden kann und nachstehender Systematik folgt (Meyr/Günther, 2011).

Abbildung: Die Dresdner Szenariomethode

Abbildung: Die Dresdner Szenariomethode

 Bildvergrößerung

Diese von Wissenschaftlern für die Praxis entwickelte Managementmethode wird in acht Schritten praktisch umgesetzt:

  1. Auftakt: Einführungsveranstaltung vor Ort, Unternehmensbegehung und Datenerfassung durch die Berater
  2. Erstes Treffen: Denken in Zukünften: Zielfestlegung (Stufe 1 des Szenarienprozesses), Festlegung der Steuerungsgrößen, Einführung in die Umfeldanalyse
  3. Hausaufgabe/selbstständiges Arbeiten, Umfeldanalyse im eigenen Unternehmen (Stufe 2 des Szenarioprozesses), Einflussgrößen erfassen und bewerten
  4. Zweites Treffen: Vertiefung Umfeldanalyse und Einflussgrößen, Szenarioerstellung (Stufe 3 des Szenarioprozesses), Einführung in die Chancen- und Risikenbewertung
  5. Hausaufgabe/Selbstständiges Arbeiten, Chancen- und Risikenbewertung für das eigene Unternehmen für die Szenarien
  6. Drittes Treffen: Auswertung Chancen und Risiken, Evaluierung der Unternehmensstrategie, Visionsentwicklung (Stufe 4 des Szenarioprozesses), Maßnahmen und Handlungsempfehlungen (Stufe 5 des Szenarioprozesses)
  7. Abschluss: individuelle Beratung vor Ort, Festlegung des individuellen Handlungsbedarfs, konkrete Umsetzungsplanung (Stufe 6 des Szenarioprozesses)
  8. Kontrolle: Kontrollgespräch vor Ort, Hemmnisanalyse, Überprüfung der Umsetzung und eventuell Anpassung (Stufe 7 des Szenarioprozesses)

Diese acht Schritte wurden in Pilotvorhaben in der Region Dresden umgesetzt. Sie können unternehmensindividuell angepasst und so mit den Gegebenheiten der bereits im Unternehmen vorhandenen Instrumente abgeglichen werden.

Doch auch wenn der Klimawandel noch nicht im Bewusstsein der Unternehmen ist, passen sie sich bereits heute an den Klimawandel an.

These 3 lautet deshalb:
Denn sie wissen nicht, dass sie es tun:
Unternehmen passen sich bereits an den Klimawandel an, wissen es aber nicht.

Insbesondere die bei über 50 Unternehmen in der Region Dresden geführten Interviews zeigten, dass auf Nachfrage sehr wohl über Maßnahmen berichtet wurde, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, aber nicht primär diesem zugeordnet wurden. So wurden Klimaanlagen eingebaut, Arbeitszeiten in den Sommermonaten wurden angepasst, die Logistik wurde für den Fall eines erneuten Hochwassers optimiert oder die Produkte aufgrund sich verändernder Nachfrage (z.B. im Maschinenbau, aber auch im Tourismus) verändert.

Diese Beobachtungen bestätigen wiederum die unter These 2 vorgestellten Vorschläge, den Klimawandel gemeinsam mit anderen unternehmerischen Herausforderungen zu betrachten.

Fazit

Die Entwicklung von Szenarien im Rahmen der strategischen Planung ermöglicht in einem ersten Schritt, dass der Klimawandel in die Unternehmenspolitik eingebettet wird und die Unternehmen bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden wollen und in einem zweiten Schritt, dass sie auch unterstützt werden können, wie die ursprünglich gestellte Frage lautete.