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10.11.2020

Treibhauseffekt und Emissionsszenarien Wie wirken sich Änderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre auf das Klimageschehen aus?

Der natürliche Treibhauseffekt

Strahlung und Treibhausgase

Wenn in der Öffentlichkeit heute vom „Treibhauseffekt“ die Rede ist, so ist meist der anthropogene oder vom Menschen verursachte Treibhauseffekt gemeint. Der anthropogene Treibhauseffekt ist jedoch nichts anderes als eine Verstärkung des natürlichen Treibhauseffekts, der eine Folge von natürlichen Strahlungsprozessen in der Atmosphäre ist.

Hätte die Erde keine Atmosphäre und wäre wie der Mond ein nackter Felsen im Weltraum, wäre sie wie dieser ein unwirtlicher Himmelskörper. Sie würde von der Sonne - wie jetzt auch - eine Einstrahlung von 340 W/m2 erhalten. Ein Teil dieser Einstrahlung würde von der Gesteinsoberfläche direkt in den Weltraum reflektiert werden. Der Rest würde die Erdoberfläche auf etwa -18°C erwärmen. Die Erde wäre damit gegenüber dem -270°C kalten Weltraum immer noch ein warmer Planet und würde langwellige Wärmestrahlung abstrahlen. Zusammen mit dem reflektierten Teil würde sie so viel Strahlung wieder abgeben, wie sie von der Sonne erhält. Bei einer Temperatur von -18°C wäre jedoch kein Leben auf der Erde möglich.

In Wahrheit liegt die Mitteltemperatur auf der Erde bei etwa +15°C. Der Unterschied von 33°C wird durch den natürlichen Treibhauseffekt bewirkt.

Der natürliche Treibhauseffekt wird dadurch möglich, dass die Erde eine Atmosphäre besitzt, in der es einige Gase gibt, die die Strahlungsvorgänge in der Atmosphäre so beeinflussen, dass sich die Erde um zusätzliche 33°C auf +15°C erwärmt. Diese Gase, die weniger als 1 % der Masse der Atmosphäre ausmachen und von denen die wichtigsten Wasserdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Distickstoffoxid bzw. Lachgas (N2O) sind, werden wegen ihrer Wirkung auf die Strahlung als Treibhausgase bezeichnet. Sie besitzen die Eigenschaft, die kurzwellige, von der Sonne kommende Strahlung ungehindert durch die Atmosphäre hindurchzulassen, die langwellige, von der erwärmten Erdoberfläche abgestrahlte Wärmestrahlung aber teilweise zu absorbieren und nach allen Seiten zu emittieren, und zwar auch Richtung Erdoberfläche. Dadurch kommt es zu einer Art „Wärmestau“ in der unteren Atmosphäre. Die Treibhausgase wirken damit ähnlich wie die Glasscheiben eines Gartentreibhauses, von dem ihr Name abgeleitet ist. 66% des natürlichen Treibhauseffekts werden durch den in der Atmosphäre enthaltenen Wasserdampf bewirkt, an zweiter Stelle steht Kohlendioxid mit ca. 30% (Latif, 2009).

Abb.1: Absorption von Wärmestrahlung in Abhängigkeit von der Wellenlänge durch Wasserdampf (blau) und CO2 (rot). Angegeben in Prozent: 100 % bedeutet die vollständige Absorption der Wärmestrahlung (NASA Earth Observatory, 2009).

Abb.1: Absorption von Wärmestrahlung in Abhängigkeit von der Wellenlänge durch Wasserdampf (blau) und CO2 (rot). Angegeben in Prozent: 100 % bedeutet die vollständige Absorption der Wärmestrahlung (NASA Earth Observatory, 2009).

Die Treibhausgase absorbieren die Strahlung allerdings auf unterschiedlichen Wellenlängenbereichen. So absorbiert Wasserdampf z.B. Wärmestrahlung mit Wellenlängen von etwa 5,5-7,5 µm und über 22 µm zu 100% (Abb. 1). In manchen anderen Wellenlängenbereichen lässt es die Strahlung ganz oder teilweise passieren. In einigen dieser Wasserdampf-„Fenster“ wie bei 4-4,5 µm und bei 12-15 µm absorbiert teilweise das CO2. Bei Wellenlängen um 2,7 µm absorbiert CO2 nur dann, wenn in Trockengebieten so gut wie kein Wasserdampf in der Atmosphäre vorhanden ist. Methan und Lachgas decken weitere Wellenlängenbereiche ab.

Wasserdampf, das wichtigste natürliche Treibhausgas

Abb.2: Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre in mm Wasser, Mai 2009 (NASA Jet Propulsion Laboratory, 2009)

Abb.2: Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre in mm Wasser, Mai 2009 (NASA Jet Propulsion Laboratory, 2009)

Die langlebigen Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas halten sich nach ihrer Entstehung über viele Jahre bis Jahrzehnte in der Atmosphäre auf und sind deshalb gut durchmischt. Das wichtigste natürliche Treibhausgas Wasserdampf besitzt dagegen nur eine kurze Verweilzeit und kommt daher in der Atmosphäre sehr unregelmäßig verteilt vor.

Wasserdampf entsteht durch Verdunstung vor allem über den tropischen Ozeanen und Regenwäldern (aber in geringem Maße auch durch Sublimation über Eis- und Schneeflächen) und wird durch Kondensation wieder in den flüssigen Zustand zurückgeführt. Das Ausmaß der Verdunstung hängt von dem zur Verfügung stehenden Wasser und der Temperatur der Atmosphäre ab. Bei hohen Temperaturen kann die Atmosphäre viel Wasserdampf aufnehmen, bei niedrigen Temperaturen weniger. Nach der Clausius-Clapeyron-Gleichung nimmt der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre mit jedem Grad Celsius um 7% zu.

Der höchste Wasserdampfgehalt findet sich über den tropischen und subtropischen Ozeanen und den tropischen Regenwäldern (Abb. 2). In den hohen Breiten ist der Wasserdampfgehalt wegen der niedrigen atmosphärischen Temperaturen gering, ebenso in den subtropischen Trockengebieten (z.B. in der Sahara), weil wenig Wasser zum Verdunsten zur Verfügung steht. Über den Subtropen wirkt daher CO2 auch in den Absorptionsbanden als Treibhausgas, die sonst von Wasserdampf besetzt sind.

Der Strahlungshaushalt

Abb.3: Strahlungshaushalt der Atmosphäre (Wild, M., A. Ohmura, C. Schär, G. Müller, D. Folini, M. Schwarz, M.Z. Hakuba, and A. Sanchez-Lorenzo, 2017)

Abb.3: Strahlungshaushalt der Atmosphäre (Wild, M., A. Ohmura, C. Schär, G. Müller, D. Folini, M. Schwarz, M.Z. Hakuba, and A. Sanchez-Lorenzo, 2017)

Quantitativ spielt sich im Strahlungshaushalt der Erdatmosphäre Folgendes ab (Abb. 3): Von den 340 W/m2 eingestrahlter kurzwelliger Solarstrahlung werden 75 W/m2 in der Atmosphäre von Wolken oder Partikeln reflektiert und 80 W/m2 absorbiert. Von den 185 W/m2 Solarstrahlung, die auf die Erdoberfläche treffen, werden 25 W/m2 von der Erdoberfläche reflektiert, die zusammen mit der in der Atmosphäre reflektierten Strahlung in einer Größenordnung von 100 W/m2 in den Weltraum gehen. 160 W/m2 direkte Sonneneinstrahlung werden von Land und Ozean absorbiert. Die aufgewärmte Erdoberfläche emittiert langwellige Strahlung in die Atmosphäre. Diese Strahlung geht zu einem kleinen Teil (ca. 14%) durch das sog. atmosphärische Fenster (atmospheric window) direkt an den Weltraum verloren. Der größere Teil wird von Treibhausgasen und Wolken absorbiert und als Wärmestrahlung nach allen Seiten emittiert, u.a. als sog. atmosphärische Gegenstrahlung mit 342 W/m2 Richtung Erdoberfläche. Auf diese Weise bleibt ein erheblicher Teil der langwelligen, von der Erdoberfläche ausgehenden Wärmestrahlung im Klimasystem der Erde.

In der Summe erhält die Erdoberfläche eine Strahlung von 502 W/m2, von der Sonne 160 W/m2 und von der Atmosphäre 342 W/m2. Davon gibt sie 398 W/m2 an die Atmosphäre wieder ab. Damit würde die Erdoberfläche jedoch 104 W/m2 mehr Energie erhalten als sie abgibt und sich stetig erwärmen. Das wird durch zwei Prozesse verhindert. Über Verdunstung und Kondensation verliert die Erdoberfläche 82 W/m2 als sog. latente Wärme und über das Aufsteigen warmer Luftmassen 21 W/m2 als sensible Wärme. Damit ist die Energiebilanz der Erde allerdings nicht vollständig ausgeglichen. Das Klimasystem der Erde erhält (aufgerundet) 1 W/m2 mehr Wärme als es abgibt: 340 zu 339 (239+100) W/m2. Diese Energie wird in Abb.1 mit 0,6 W/m2 der Wärmeaufnahme des Ozeans zugeschlagen. Hintergrund ist, dass die Abb. 2 eine Momentaufnahme der Energiebilanz der Erde am Beginn des 21. Jahrhunderts darstellt (Hansen, J., M. Sato, P. Kharecha, and K. von Schuckmann, 2011). Was hier gezeigt wird, ist schon nicht mehr der natürliche Treibhauseffekt in Reinform mit einer ausgeglichenen Energiebilanz, sondern ein durch menschliche Aktivitäten bereits gestörter Treibhauseffekt, dessen zusätzliche Energie zu über 90 % vom Ozean aufgenommen wird. Damit sind wir beim anthropogenen, vom Menschen verursachten Treibhauseffekt.