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07.08.2020

Globale Klimamodellierung Hoch entwickelte Klimamodelle versuchen, das Klima so realitätsnah wie möglich abzubilden und Aussagen über seine künftigen Veränderungen zu machen.

Welche Klimamodelle gibt es?

Die mittlere Temperatur auf der Erde wird weitgehend durch die Energiebilanz von Strahlungsflüssen und den turbulenten Flüssen von fühlbarer und latenter Wärme beschrieben. Diese Energiebilanz bestimmt damit auch die Temperatur im Lebensraum des Menschen (oder: „in Bodennähe“).

Einfache Energiebilanzmodelle wurden bereits in den 1960er Jahren zur Untersuchung des Klimas genutzt, als noch keine Computer zur Verfügung standen. Aufgrund fehlender Rechenkapazitäten wurde die Atmosphäre damals nicht vollständig beschrieben, sondern es wurde nur die Änderung der solaren und terrestrischen Strahlungsbilanz untersucht. Die Transportprozesse in der Atmosphäre (Transport von warmer Luft nach Norden und kalter Luft nach Süden) wurden zunächst also nicht berücksichtigt.

So konnten bereits schon wesentliche Abschätzungen gemacht werden, z.B. welchen Temperaturanstieg eine Verdoppelung von Kohlendioxid (CO2) bewirken würde. Solche Aussagen werden heutzutage auch mit komplexen, hochauflösenden Klimamodellen getroffen.

Auch damals war dank solcher konzeptionellen Modelle bereits bekannt, dass es wichtige Rückkopplungsmechanismen und selbstverstärkende Prozesse im Klimasystem gibt. Hierzu gehört z.B. die Schnee-/Eisalbedo-Rückkopplung: Das Tauen von Gletschern oder das Abschmelzen der Polkappen reduziert das Rückstrahlvermögen, die sogenannte Albedo, der Erde. Dadurch erwärmt sich die Erde noch mehr, was wiederum das Abtauen weiter verstärkt. Durch solche Rückkopplungen kann es zu Kipp-Punkten im Klimasystem kommen, d. h. zu sich selbst verstärkenden, irreversiblen Prozessen.

Unsere heutigen Klimamodelle geben ein sehr viel differenzierteres Bild der globalen und regionalen Temperaturänderung und der Änderung weiterer Größen (wie z.B. Niederschlag, Wind, Wolkenbedeckung etc.) wieder, das mit einfachen Energiebilanzmodellen nicht erzeugt werden kann. Mit komplexen Modellen wurden auch weitere Kipp-Punkte entdeckt (z B. die Versauerung der Ozeane oder das Auftauen der Permafrostböden). Dank gestiegener Rechnerkapazitäten sind heute mit gekoppelten komplexen Klimamodellen Klimasimulationen über sehr lange Zeiträume möglich. Das aktuell vom BMBF in einer zweiten Phase geförderte Projekt PALMOD hat beispielsweise zum Ziel, einen vollständigen Eiszeitzyklus, also mehr als 100.000 Jahre, zu simulieren und zu untersuchen.

Gekoppelte komplexe Klimamodelle sind auch in der Lage, natürliche Klimaschwankungen zu simulieren. So können Aussagen über Phänomene wie die NAO (Nordatlantische Oszillation), ENSO (El Niño-Southern Oscillation), blockierende Wetterlagen u.a. gewonnen werden. Mit Ensemblesimulationen, also einem ganzen Schwarm von Einzelsimulationen, die mit leicht unterschiedlichen Anfangsbedingungen gestartet werden, kann zudem die Robustheit der Ergebnisse und die Bandbreite der natürlichen Variabilität statistisch erfasst werden. Mit komplexen Erdsystemmodellen, die auch die biogeochemischen Kreisläufe in die Simulation mit einbeziehen (s.u.), werden auch die Fragen nach möglichen zukünftigen Klimaänderungen als Folge der Änderung der Treibhausgaskonzentrationen beantwortet.

Einfache Modelle (Conceptual Models)

Einfache oder besser „konzeptionelle Klimamodelle“ simulieren das Klima unter sehr vereinfachten Annahmen. Sie sind nicht in der Lage, den Gesamtzustand des Klimas quantitativ abzubilden, und werden deshalb nur für grundlegende Untersuchungen des Klimasystems, für das Studium bestimmter Prozesse oder zu Lehrzwecken eingesetzt.

Mit ihrer Atmosphäre gewinnt die Erde Energie durch die Sonneneinstrahlung (kurzwellige Strahlung). Aber sie verliert auch wieder Energie, indem sie, abhängig von ihrer Temperatur, Wärme abstrahlt (langwellige Strahlung). Die Ausstrahlung des Gesamtsystems Erde-Atmosphäre hängt auch von der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre ab. Mit einem konzeptionellen Klimamodell lässt sich aus der Bilanz von Ein- und Ausstrahlung die Temperatur der Erde (global gemittelt) in Bodennähe berechnen, und damit auch, um wie viel sich die bodennahe Temperatur bei einer Verdoppelung des CO2-Gehalts erhöhen würde. Ein solches Modell, das nur Strahlungsprozesse in der Atmosphäre und an der Erdoberfläche berücksichtigt, wird als Energiebilanzmodell bezeichnet.

2-Boxmodell der großskaligen Ozeanzirkulation oder des „Conveyor Belt“ (Abbildung von Nicholas Gruber, ETH Zürich, nach Stommel (1961)

2-Boxmodell der großskaligen Ozeanzirkulation oder des „Conveyor Belt“ (Abbildung von Nicholas Gruber, ETH Zürich, nach Stommel (1961)

Zum Verständnis der allgemeinen Zirkulation im Ozean wurde in den 1960er Jahren ein anderer einfacher Modelltyp entwickelt, das so genannte Boxmodell. Boxmodelle sind numerische Konstrukte zur konzeptionellen Vereinfachung komplexer Systeme. Der Ozean wird hier in zwei Gebiete (Boxen) aufgeteilt. Eine Box repräsentiert den Ozean in nördlichen Breitengraden, die andere den Ozean in Äquatornähe. In den Boxen herrschen daher eine jeweils unterschiedliche Temperatur, ein unterschiedlicher Salzgehalt und damit auch eine unterschiedliche Dichte. Durch den Dichteunterschied (Dichtegradient) streben beide Boxen danach, „sich auszutauschen“ (durch sogenannte „Flüsse“).

Es handelt sich hier also um ein Gittermodell mit nur zwei Gitterzellen und nur wenigen Prozessen. Je nach Salzgehalt und Temperatur, die auch durch den Austausch mit der Atmosphäre beeinflusst werden (Niederschlag und Verdunstung oder „Evaporation“), wird Wasser zwischen den Boxen ausgetauscht. Damit kann auf stark vereinfachte Weise die Wirkung großräumiger Zirkulationssysteme wie z.B. die meridionale Umwälzzirkulation im Nordatlantik, bei der der Golfstrom und der Nordatlantikstrom die Oberflächenströmung bilden, modelliert werden.

Die Modelle der Atmosphäre wurden Anfang der 1970er Jahre weiterentwickelt, parallel zur Entwicklung der Computer. In ihnen wurde zunächst die horizontale Struktur der Atmosphäre mit Hilfe von zonalen (also entlang eines Breitengrades in West-Ost-Richtung entstandenen) Mittelwerten beschrieben, während die meridionalen Transporte in Nord-Süd-Richtung mittels dieser zonalen Mittelwerte umschrieben (parameterisiert) wurden. Diese Modelle waren also noch nicht fähig, das Klima entlang der Breitenkreise (früher auch als "Breitengrade" bezeichnet) zu beschreiben.

Die Forschungen auf dem Gebiet der Wettervorhersage und dem des Klimas verliefen eine Zeit lang wegen der unterschiedlichen Fragestellungen unabhängig voneinander.
Während in der Klimaforschung die globale Energiebilanz, wie zuvor erwähnt, im Zentrum des Interesses steht, ist das Wettergeschehen, vor allem in den mittleren Breiten, durch die Verlagerung von Hoch- und Tiefdruckgebieten bestimmt. Bei kurzen Vorhersagezeiträumen (bis 2 Tage) dominieren die Druckfelder, während die Temperaturverteilung eine untergeordnete Rolle spielt. Erst mit der Zunahme der Rechnerkapazitäten konnte dann auch die Thermodynamik, insbesondere auch die Rolle der Feuchtigkeit, in die Wettervorhersagemodelle mit eingebaut werden. Schließlich wurden im Laufe der 1970er Jahre die Wettervorhersagemodelle auch für die Klimaforschung eingesetzt. In der Weiterentwicklung entstanden die heutigen komplexen Modelle für die sogenannte „allgemeine Zirkulation“ (der Begriff „allgemein“ steht hier für „global“, auf Englisch: General Circulation Models oder kurz: GCMs). Ihre Basis liegt also in den frühen Arbeiten auf diesem Gebiet und in der stetig erfolgreich weiterentwickelten numerischen Wettervorhersage.