Hochwasser gehören weltweit zu den bedeutendsten Naturgefahren mit einem enormen Schadenspotential. So stellte beispielsweise die durch das Tief Bernd im Juli 2021 ausgelöste Flutkatastrophe im Bereich des Ahrtals und an der Erft mit ca. 40 Mrd. € Gesamtschäden die bisher schadensträchtigste Naturkatastrophe in Deutschland dar. Das zweitteuerste Extremereignis war mit dem Augusthochwasser im Jahr 2002 (inflationsbereinigt ca. 18,5 Mrd. Euro Schäden) ebenfalls ein Hochwasserereignis, und auch die Überschwemmungen vom Frühsommer 2013 reihen sich mit rund 9,5 Mrd. Euro an Schäden ebenfalls ganz vorne in die Liste der schadensträchtigsten Naturkatastrophen ein (BMWK, 2023).
© Martina Topf/Fotolia - Elbhochwasser 2002
Hochwasser – selbst sehr seltene – sind natürliche Ereignisse, die es zu jeder Zeit gegeben hat und die es auch zukünftig immer wieder geben wird. Sie stellen demzufolge zunächst eine „Naturgefahr“ dar, deren Auswirkungen aber erheblich anthropogen verstärkt werden, wie z.B. durch zunehmende Siedlungsdichte in vulnerablen Räumen, intensivere Bewirtschaftung abflussrelevanter Landflächen sowie die zunehmende Verwundbarkeit sozialer und technischer Systeme. Auch der anthropogen verursachte Klimawandel beeinflusst die Häufigkeit und Intensität von extremen Niederschlagsereignissen (s. dazu u.a. das Dossier zu Klimawandel und Starkregen) und somit auch die lokale bzw. regionale Hochwassergefährdung.
Hochwasserereignisse können regional zu krisenhaften und überregional zu katastrophalen Situationen führen, wenn z.B. größere Verluste an Menschenleben und große materielle Schäden auftreten bzw. wenn die Struktur einer Gesellschaft solchen Gefährdungen so ausgesetzt ist, dass sie wesentliche Funktionen nicht mehr sichern kann. Auch hierfür ist die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal und an der Erft ein alarmierendes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. So verloren durch die Überschwemmungen allein im Ahrtal 135 Menschen ihr Leben, 70% der Häuser wurden zerstört bzw. beschädigt und die regionale Infrastruktur stark beeinträchtigt. Auch gut 3,5 Jahre nach der Flut hält der Wiederaufbau der Infrastruktur wie z.B. die Wiederherstellung von Brücken und Bahngleisen weiter an.
Hochwasserentstehung in Deutschland
Hochwasser sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels zwischen meteorologischen und hydrologischen Prozessen sowie verschiedener Gebietseigenschaften. Dabei gibt es regionale und jahreszeitliche Besonderheiten in der Hochwasserentstehung, die sich auch auf die räumliche Ausdehnung der Hochwasserereignisse und somit auf den Grad der Betroffenheit auswirken.
Winterereignisse werden zum großen Teil durch zyklonale Westwetterlagen hervorgerufen. Diese Strömungsformen gehen oft mit einer flächendeckenden Überregnung großer Teile des Bundesgebietes einher, wobei insbesondere in den Mittelgebirgen mit entsprechenden Staulagen größere Mengen an Niederschlag fallen. Mit dem Durchzug dieser Fronten sind häufig auch Warmlufteinbrüche verbunden. Hochwasser entstehen allerdings erst dann, wenn die Niederschläge entweder auf weitestgehend gesättigte (wie z.B. beim sog. Weihnachtshochwasser 2023, siehe Foto) bzw. gefrorene Böden oder auf eine bestehende Schneedecke treffen. Bei letzterem erhöht sich durch das schnelle Abschmelzen des Schnees die Menge des abfließenden Wassers. So führten bspw. Anfang Januar 1995 anhaltende Regenfälle, wassergesättigte Böden im Flachland und die gleichzeitige Schneeschmelze in den Mittelgebirgen zu einem der schwersten Hochwasser der jüngeren Vergangenheit am Rhein. Ein Spezialfall im Winter sind durch Eisstau erzeugte Hochwasser, wobei diese in der jüngeren Vergangenheit durch die starke Stauregulierung der Flüsse sehr selten geworden sind.
© Melanie Schwarz (DKKV) – Winterhochwasser am Rhein, Januar 2024
Im Sommer werden Hochwasser oft durch Starkniederschläge ausgelöst. Lokal sind dies größtenteils Gewitterzellen, welche zu sturzflutartigem, oft außerhalb bestehender Gerinnestrukturen als wild abfließendem Oberflächenwasser, zu Überschwemmungen führen. Bekanntestes Beispiel für ein sogenanntes pluviales Hochwasserereignis war das verheerende Sturzflutereignis von Ende Mai 2016 in der Gemeinde Braunsbach in Baden-Württemberg, welches gerade auch in Bezug auf das lokale Starkregenrisikomanagement (s.u. bzw. weiterführende Informationen und Themenportal Klimawandel und Starkregen ) zu neuen Anstößen geführt hat.
Großräumige Sommerereignisse sind dagegen häufig die Folge sogenannter Vb-Wettersysteme, die – in leichter Abwandlung der entsprechenden meteorologischen Situation – auch maßgebend für die sommerlichen Hochwasserereignisse in den Jahren 2002, 2013 und 2024 waren. Vb-Wetterlagen sind Tiefdruckgebiete, welche auf ihrer Zugbahn über das Mittelmeer um die Alpen herum große Mengen an Feuchtigkeit nach Mittel- und Osteuropa transportieren, wo sich diese insbesondere an den Nord- und Osträndern der östlichen Mittelgebirge als Starkregen entladen. Im Alpenbereich findet zudem oftmals eine Überlagerung mit der im Mai/Juni einsetzenden Schneeschmelze statt.
Das Tief Bernd aus dem Sommer 2021 dagegen war keine Vb-Wetterlage, sondern ein sich sehr langsam ostwärts bewegendes Bodentief. Durch ein sich aus Westen näherndes Höhentief war die untere Atmosphäre zu diesem Zeitpunkt sehr instabil geschichtet. Vom Mittelmeerraum wurde durch die Drehung des Tiefdruckgebietes anhaltend warme und sehr feuchte Luft nach Deutschland transportiert. In Zusammenhang mit entsprechenden Hebungseffekten (dynamisch bzw. auch orographisch an den Mittelgebirgen) führte dies zu ergiebigem und anhaltendem Niederschlag, der langsam von West nach Ost zog. Die höchsten Niederschlagsmengen wurden dabei im Westteil von Deutschland aufgezeichnet, mit regional über 150 Liter Niederschlag in 24 Stunden (DWD, 2021). In Kombination mit bereits relativ stark wassergesättigten Böden in Südwestfalen und Rheinland-Pfalz, hervorgerufen durch eine feuchte Periode in den Wochen vor dem Durchzug von Tief Bernd sowie der besonderen geomorphologischen Situation im Bereich des Ahrtals, führten die immensen, mindestens als Jahrhundertereignis einzustufenden Niederschläge, zu der oben beschriebenen katastrophalen Hochwasserentwicklung.
Hochwasservorsorge und -vorhersage
Um auf zukünftige Hochwasser vorbereitet zu sein, gilt es, aus den Vergangenen zu lernen und – insbesondere – mit dem Risiko leben zu lernen. Ein Risikomanagement funktioniert jedoch nur dann zuverlässig, wenn die möglichen Gefahren hinreichend bekannt sind und man sich auf diese vorbereiten kann – und zwar vor dem Ereignisfall.
Vor diesem Hintergrund bieten die auf Länderebene etablierten Methoden des Hochwasser- und Starkregenrisikomanagements einen wichtigen Beitrag, um vorab entsprechende Überschwemmungsgefahren und –risiken abschätzen und entsprechende Management- bzw. Alarm- und Einsatzpläne für den Ereignisfall erarbeiten zu können. In Zusammenhang mit einer verlässlichen Echtzeit-Vorhersage kann dies den Schutz vor den potentiell gravierenden Auswirkungen von Hochwasserereignissen deutlich erhöhen.
In Bezug auf eine Vorhersage ist es aber so, dass diese bisher eigentlich nur für fluviale Hochwasserereignisse in Bezug auf zu erwartende Pegelstände operationell verfügbar ist. Je nach vorliegender Wetterlage und betroffenem Einzugsgebiet können im optimalen Fall mit einigen Tagen Vorlaufzeit verlässliche Ganglinien des zu erwartenden Hochwasserverlaufs vorhergesagt werden, so dass rechtzeitig entsprechende Schutz- oder auch Evakuierungsmaßnahmen eingeleitet werden können.
Völlig anders ist die Situation dagegen bei pluvial hervorgerufenen Sturzflutereignissen, die lokal zu verheerenden Schäden führen können. Hierfür gibt es bisher einzig die meteorologische Starkregenvorhersage der Wetterdienste. Diese berücksichtigt allerdings in keiner Weise die in einer bestimmten Region aktuell vorherrschenden, für die hydrologische Prozesskette entscheidenden Faktoren, wie z.B. die aktuelle Bodenvorfeuchte und Landbedeckung sowie die entsprechenden geomorphologischen und hydrologischen Strukturen. Dementsprechend ist eine reine Starkregenvorhersage für den Sturzflutfall nur sehr bedingt aussagekräftig. Um auch für den pluvialen Fall eine Vorhersage zu erhalten, werden aktuell im Rahmen der BMBF Fördermaßnahme Wasser-Extremereignisse (WAX) Möglichkeiten zur Sturzflutvorhersage entwickelt und getestet. Auch wenn durch die zugrundeliegenden meteorologischen Prozesse die Vorwarnzeit für pluviale Ereignisse naturgemäß deutlich kürzer sein kann als für entsprechende fluviale Hochwasserereignisse, ergibt sich insbesondere im Zusammenhang mit einem bereits bestehenden Starkregenrisikomanagement Potential, entsprechende Schutzmaßnahmen im Ereignisfall effizienter zu gestalten.
Hochwasserregime und Trends
Lange Zeitreihen von Abfluss- und Niederschlagsmessungen an vielen Stationen in Deutschland und beobachtete Wetterlagen in Europa stellen die wichtigste Quelle zur Analyse der Hochwasserentstehung und -gefährdung dar. Werden die Hochwasser und die sie auslösenden Wetterlagen der letzten 50 Jahre nach ihrer Auftretenshäufigkeit, Stärke, Datum des Auftretens und den Trends in den Zeitreihen untersucht, kann Deutschland in drei verschiedene Regionen eingeteilt werden (Beurton & Thieken, 2009; Petrow et al. 2009):
- Der Rhein mit seinen Zuflüssen, die westliche Weser, südliche Ems sowie die nördlichen Zuflüsse der Donau weisen ein durch Winterhochwasser geprägtes Regime auf. Dabei können sowohl in der Häufigkeit als auch in der Stärke eine Zunahme der Winterhochwasser nachgewiesen werden. Sommerhochwasser spielen eine untergeordnete Rolle und zeigen kaum Trends auf.
- Dem westlichen Regime verwandt ist das Hochwasserregime weiter Teile der Ems, östlichen Weser und Elbe. Auch diese Gebiete werden in der Mehrzahl durch Winterhochwasser bestimmt, allerdings mit einer Verschiebung des Maximums hin zum Frühjahr. Sommerhochwasser spielen zudem eine etwas bedeutendere Rolle. In diesem Regime nehmen ebenfalls die Winterhochwasser zu, allerdings kann für die Häufigkeit der Sommerhochwasser eine deutliche Abnahme innerhalb der letzten Jahrzehnte festgestellt werden.
- Deutlich abgesetzt von den wintergeprägten Regimen findet sich im Alpenbereich (Donau und südliche Nebenflüsse) ein durch Sommerhochwasser dominiertes Hochwasserregime. Die Sommerhochwasser weisen keine deutlichen Änderungen in ihrer Auftretenshäufigkeit auf. Allerdings kann in dieser Region eine signifikante Zunahme der Hochwasserstärke im Winter nachgewiesen werden.
Überregionale Hochwasser
Eine besondere Rolle in der Bewertung des Hochwasserrisikos nehmen überregionale Hochwasser ein, d.h. Hochwasser, welche mehrere Flussgebiete gleichzeitig treffen und damit zu einer hohen Akkumulation von Schäden führen können. Sie stellen damit eine besondere Herausforderung an die Versicherungswirtschaft und den Katastrophenschutz.
Die Stärke großräumiger Ereignisse ist nicht homogen, sondern kann an einzelnen Flussabschnitten sehr unterschiedlich ausfallen. Eine vergleichende Bewertung von Ereignissen muss diese räumlich heterogene Ausprägung berücksichtigen. Dazu sind Maße der Ereignisauswirkungen, wie beispielsweise die Überflutungsfläche oder die aufgetretenen Schäden, geeignet. Allerdings stehen nur für eine geringe Auswahl vergangener Ereignisse solche Daten zur Verfügung. Zudem stellt die Berechnung der Konsequenzen großräumiger Ereignisse nach wie vor enorme Anforderungen an die vorhandenen Daten und Modelle.
Ergebnisse (Uhlemann et al., 2010) lassen nun jedoch einen Vergleich von flussgebietsübergreifenden Hochwassern anhand von Abflussmessungen zu. Damit steht eine Liste der 80 schwersten Hochwasser in Deutschland zwischen 1952 und 2002 als Kombination aus der räumlichen Ausdehnung und der lokalen Stärke zur Verfügung. Diese Ereignisliste wird zu zwei Dritteln von Winterhochwassern dominiert, wobei dies insbesondere die großräumigsten Ereignisse sind, welche mehr als ein Drittel des gesamten Flussnetzes in Deutschland betrafen. Sommerereignisse beschränken sich zumeist auf Teile der Donau und Elbe. Ihre Intensitäten übertreffen allerdings deutlich die der Winterereignisse. Auffällig ist auch bei den überregionalen Ereignissen, dass insbesondere die schwersten und damit vornehmlich Winterereignisse, auch die stärkste Zunahme in der Häufigkeit ihres Auftretens innerhalb der letzten fünf Dekaden aufweisen.
- Themenportal Klimawandel und Starkregen
- DKKV-Themenseite zu Starkregen
- DKKV-Themenseite zu Hochwasser
- Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA): LAWA-Starkregenportal
- Forschungsprojekt Starkregen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV):
- Länderübergreifendes Hochwasserportal
- Beurton, S. and Thieken, A. (2009). Seasonality of floods in Germany. Hydrological Sciences Journal, 54 (1)
- BMBF-Fördermaßnahme Wasser-Extremereignisse (WAX)
- Sturzflutindex des WaX-Projektes AVOSS: Ein neues Tool zur Vorhersage der lokalen Gefährdung durch Sturzfluten
- BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2023). Was uns die Folgen des Klimawandels Kosten – Merkblatt # 05. Schäden von Flutereignissen in Deutschland
- DWD – Deutscher Wetterdienst (2021). Hydro-klimatologische Einordnung der Stark- und Dauerniederschläge in Teilen Deutschlands im Zusammenhang mit dem Tiefdruckgebiet „Bernd“ vom 12. bis 19. Juli 2021
- Petrow, Th., J. Zimmer, and B. Merz. 2009. Changes in the flood hazard through changing frequency and persistence of circulation patterns. Natural Hazards and Earth System Sciences, 9
- Uhlemann, S., A. H. Thieken, and B. Merz 2010. A consistent set of trans-basin floods in Germany between 1952–2002. Hydrol. Earth Syst. Sci., 14