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15.08.2016

Extreme Ereignisse Extreme Wetterereignisse verursachen jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe. Welche Rolle spielt dabei der Klimawandel? Wie können wir Schäden vermeiden?

Wie können wir uns schützen?

Vom Sicherheitsdenken zur Risikokultur

Integriertes Risikomanagement wird heutzutage als Optimierungskreislauf verstanden mit dem übergeordneten Ziel, die negativen Auswirkungen von Naturereignissen systematisch, transparent und kosteneffizient zu minimieren. Die schweizerische (nationale) „PLAttform NATurgefahren“ (PLANAT) fordert schon lange ein Umdenken beim Umgang mit Naturgefahren: Das bisherige Sicherheitsdenken bzw. die bisherige Gefahrenabwehr ist durch eine Risikokultur zu ersetzen. Darunter versteht PLANAT, dass Schutzmaßnahmen auf der Basis von vergleichbaren Risikoanalysen geplant, Handlungsbedarf und Kostenwirksamkeit nachgewiesen und die soziale Gerechtigkeit – auch für zukünftige Generationen – sowie die ökologische Verträglichkeit berücksichtigt werden.
 PLANAT, 1998

Ausgangspunkt dieser Diskussion ist die Erkenntnis, dass

  • die intensive Nutzung unseres Lebensraums das Risiko durch Naturgefahren in den letzten Jahrzehnten vergrößert hat,
  • extreme Naturereignisse Bestandteile der Natur sind, denen der Mensch sich nicht entziehen kann,
  • aus finanzieller und technischer Sicht, aber auch aufgrund von Akzeptanzproblemen ein absoluter Schutz nicht möglich ist,
  • keine einheitlichen Maßstäbe, nicht einmal eine stringente Diskussion über Maßstäbe zur Bewertung von Naturrisiken und möglichen Schutzmaßnahmen vorliegen (Grünewald & Merz 2003).

Eine Risikokultur gründet sich auf die Beantwortung von drei Fragenkomplexen:

  • Was kann passieren? Wie wahrscheinlich ist das? Was geschieht, wenn es passiert? – die Kernfragen der Risikoanalyse
  • Was darf nicht passieren? Welche Sicherheit für welchen Preis? – die Kernfragen der Risikobewertung
  • Wie kann mit dem Risiko bestmöglich umgegangen werden? – die Kernfrage der Risikosteuerung

Langfristig kommt ein Risikomonitoring hinzu, bei dem zu quantifizieren und zu bewerten ist, ob und wie sich Risiken – aufgrund von klimatischen, landschaftlichen und/oder sozioökonomischen Änderungen – verändern. Beispielsweise ist in der europäischen Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (EC 2007) alle sechs Jahre eine Aktualisierung von Gefahren- und Risikokarten vorgesehen.

Der Kreislauf des Risikomanagements

Im Ereignisfall stehen zunächst die Bewältigung des Ereignisses, d.h. die Rettung von Leben und andere Maßnahmen zur Begrenzung von Schäden im Vordergrund. Daran schließt sich – vor allem bei Ereignissen, die Schäden verursacht haben – eine Phase des Wiederaufbaus an. Ziel ist es, in der geschädigten Region den Lebensstandard vor dem Ereignis wiederherzustellen. In einer Risikokultur wird der Vorsorgegedanke bereits in diese Phase integriert, d.h. bei der Reparatur von Gebäuden und anderen Bauwerken werden schadensmindernde Maßnahmen mit geplant und umgesetzt.

© A. Thieken

© A. Thieken

Risikomanagement bedeutet auch, aus Ereignissen zu lernen. Daher geht die Phase des Wiederaufbaus mit einer Ereignis- und Risikoanalyse einher, die zum Ziel hat, alle bestehende Risiken zu identifizieren, zu quantifizieren und zu bewerten sowie bestehende Vorsorgemaßnahmen zu optimieren und ggf. weitere sinnvolle Vorsorgemaßnahmen vorzuschlagen. Dabei sind auch Szenarien zu berücksichtigen, die noch nie eingetreten sind, aber potenziell eintreten könnten (z.B. Versagensszenarien wie Deichbrüche, Kaskadeneffekte). Zur Risikoanalyse gehört auch, nicht nur das Naturereignis – im Sinne einer Gefährdung – zu beschreiben, sondern auch mögliche Folgen wie Schäden und deren Eintrittswahrscheinlichkeiten abzuschätzen. Diese Betrachtungen sind eine Voraussetzung für die Planung von Schutzmaßnahmen und eine Bewertung von Schutzalternativen.

Bevor Vorsorgeplanungen und die Umsetzung von Maßnahmen beginnen können, ist zu bewerten, welches Risiko akzeptabel ist. Dies ist ein gesellschaftlicher Diskussionsprozess, da Menschen unterschiedliche Präferenzen, Werte, Interessen und Strategien im Umgang mit Risiken haben. Es gibt daher keine eindeutige Lösung für die Risikobewertung (WBGU 1999). Risiken können jedoch stringent und konsistent bewertet werden, wenn die Präferenzen und Ziele der Beteiligten vorgegeben werden (WBGU 1999).

Zudem ist das zugemutete Risiko nach der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck festzulegen (Kuhlmann 1995), d.h. die bestmögliche Option bzw. das geringst mögliche Übel ist auszuwählen. Risikobewertung und Management streben demnach eine Risikooptimierung an. Bei der Planung, Auswahl und Umsetzung von Vorsorgemaßnahmen sind verschiedenste Maßnahmen zu berücksichtigen und zu kombinieren. Für die Optimierung sollten Alternativen – ihre Kosten und Nutzen im Sinne einer Schadensvermeidung – gegeneinander abgewogen werden, wobei nicht nur ökonomische Aspekte, sondern auch soziale und ökologische Faktoren berücksichtigt werden sollten (Grünewald & Merz 2003).

Für die Vorsorge steht eine Reihe verschiedener Maßnahmen zur Verfügung. Folgende Kategorien werden unterschieden:

  • Man spricht von Risikovermeidung, wenn z.B. durch Raumplanung hochwassergefährdete Bereiche frei von Bebauung gehalten werden.
  • Unter Risikominderung werden alle technischen, baulichen und organisatorischen Maßnahmen verstanden, die Schäden mindern. Dazu gehören auch Maßnahmen, die die Betroffenen über die Gefährdung informieren und im Ereignisfall rechtzeitig warnen.
  • Risikotransfer bedeutet, dass finanzielle Schäden nicht allein von den Betroffenen, sondern von einer größeren Gruppe getragen werden. Zu nennen sind hier Versicherungen oder Katastrophenfonds.
  • Schließlich kommt der Bewusstseinsbildung durch Gefahren- und Risikokarten sowie der Kommunikation von Handlungsoptionen eine zentrale Rolle zu – vor allem, wenn die Betroffenen selbst Schutzmaßnahmen ergreifen sollen.

Das Restrisiko

Bei der Risikosteuerung ist neben der Optimierung von Vorsorgemaßnahmen auch das sogenannte Restrisiko im Auge zu behalten. Dies setzt sich aus einem – im Zuge der Risikobewertung – akzeptierten Risiko und einem unbekannten Risiko zusammen. Gerade bei extremen Ereignissen ist es unmöglich, die Gesamtheit aller Gefahren und Auswirkungen zu kennen und im Vorfeld zu berücksichtigen. Um das Restrisiko bestmöglich beherrschen zu können, ist das betreffende System zu beobachten, um mögliche Sicherheitslücken oder Versagensfälle frühzeitig zu erkennen. Zudem sind Vorkehrungen für den Notfall, in Form von Vorhersage und Warnsystemen, Notfallplänen usw. zu treffen (Grünewald & Merz 2003).

Das Sendai-Rahmenwerk

International wurden die Leitgedanken der Risikokultur im Hyogo Framework for Action 2005-2015 (HFA) verankert, das im März 2015 durch ein Nachfolgeabkommen abgelöst wurde: das Sendai-Framework for Disaster Risk Reduction 2015-2030 (SFDRR). Erstmals wurden sieben Ziele für die Risikoreduktion festgelegt, u.a. eine deutliche Reduktion des Todesopfer und Schäden sowie ein Ausbau von Frühwarnsystemen.
 Sendai Framework for Disaster Risk Reduction

Überarbeitung von Grünewald & Merz (2003) durch
Annegret Thieken
Prof. Dr. Annegret Thieken
ehemals Climate Service Center der HZG,
jetzt Institut für Umweltwissenschaften und Geographie der Universität Potsdam
annegret.thieken@uni-potsdam.de
Quellen und Referenzen