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27.11.2024

Extreme Ereignisse (Update) Extreme Wetterereignisse verursachen jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe. Welche Rolle spielt dabei der Klimawandel? Wie können wir Schäden vermeiden?

Zum Begriff Risiko

Das Wort „Risiko“ wird in der Umgangssprache und in der Wissenschaft unterschiedlich verwendet. Im alltäglichen Sprachgebrauch bedeutet Risiko die Möglichkeit, einen Schaden zu erleiden. In der Sicherheitswissenschaft beinhaltet der Begriff Risiko die beiden Aspekte Eintrittswahrscheinlichkeit und das Ausmaß eines Schadens (Kuhlmann, 1995; Plate & Merz 2001; WBGU, 1999).

Im Kontext von Naturgefahren wird Risiko als eine Kombination von Gefährdung, Exposition und Verwundbarkeit (Vulnerabilität) gesehen. Okrent (1980) gibt ein anschauliches Beispiel für den Unterschied zwischen Gefährdung und Risiko: Zwei Personen überqueren den Ozean, eine in einem Ruderboot, die andere in einem Passagierschiff. Beide sind der gleichen Gefährdung ausgesetzt (exponiert), nämlich Stürmen und hohen Wellen, die Person im Ruderboot hat jedoch ein viel höheres Risiko zu kentern und zu ertrinken.

Abbildung 1. Darstellung des Katastrophenrisikos im Kontext von Wetter- und Klimaereignissen in Abhängigkeit von Gefährdung (Hazard), Verwundbarkeit (Vulnerability) und Exposition (Exposure). Die eingefärbten „Flügel“ der „Propeller“ stellen dar, in wie weit Anpassungsreaktionen eines Systems das Risiko beeinflussen können. Quelle: Abbildung 1.5 in IPCC (2022).

Abbildung 1. Darstellung des Katastrophenrisikos im Kontext von Wetter- und Klimaereignissen in Abhängigkeit von Gefährdung (Hazard), Verwundbarkeit (Vulnerability) und Exposition (Exposure). Die eingefärbten „Flügel“ der „Propeller“ stellen dar, in wie weit Anpassungsreaktionen eines Systems das Risiko beeinflussen können. Quelle: Abbildung 1.5 in IPCC (2022).

Dieses heute gängige Verständnis von Risiko wurde unter anderem durch den Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC) geprägt, der das Konzept in einem Sonderbericht über das „Management des Risikos von Extremereignissen und Katastrophen zur Förderung der Anpassung an den Klimawandel“ (IPCC, 2012) vorgestellt hat. Hier wird das Katastrophenrisiko graphisch als Überlappung von Gefährdung, Exposition und Verwundbarkeit dargestellt (sogenannter „Risikopropeller“, siehe Abb. 1). In der aktuellen Forschung wird zwischen der Verwundbarkeit und Exposition menschlicher Systeme und der von Ökosystemen (inkl. Biodiversität) unterschieden. Diese beiden Systeme stehen eng miteinander in Verbindung, weshalb häufig auch von Mensch-Umwelt-Systemen gesprochen wird.

Die Bewältigungs- und Anpassungskapazitäten eines Systems auf eine Gefahr zu reagieren, spielen eine wichtige Rolle für das Ausmaß des Schadens, der durch eine Naturgefahr entstehen kann. In der Terminologie des „United Nations Office for Disaster Risk Reduction“ (UNDRR) ist die Kapazität entsprechend Teil des Risikobegriffs und auch im IPCC Bericht von 2022 rückt dieser Aspekt verstärkt in den Fokus, hier „response“ genannt (IPCC, 2022). Gute Anpassungsreaktionen („responses“) können das Risiko reduzieren, während ausbleibende Reaktionen das Risiko verstärken können. In manchen Fällen können Anpassungsreaktionen auch negative sekundäre Effekte nach sich ziehen.

Abbildung 1. Darstellung des Katastrophenrisikos im Kontext von Wetter- und Klimaereignissen in Abhängigkeit von Gefährdung (Hazard), Verwundbarkeit (Vulnerability) und Exposition (Exposure). Die eingefärbten „Flügel“ der „Propeller“ stellen dar, in wie weit Anpassungsreaktionen eines Systems das Risiko beeinflussen können. Quelle: Abbildung 1.5 in IPCC (2022).

Abbildung 1. Darstellung des Katastrophenrisikos im Kontext von Wetter- und Klimaereignissen in Abhängigkeit von Gefährdung (Hazard), Verwundbarkeit (Vulnerability) und Exposition (Exposure). Die eingefärbten „Flügel“ der „Propeller“ stellen dar, in wie weit Anpassungsreaktionen eines Systems das Risiko beeinflussen können. Quelle: Abbildung 1.5 in IPCC (2022).

Der „Risikopropeller“ veranschaulicht verschiedene Ansatzpunkte, um das Risiko zu reduzieren. Das Hochwasserrisiko einer Region kann beispielsweise vermindert werden, indem die Gefährdung durch die Vergrößerung des Wasserretentionspotentials im Einzugsgebiet und/oder – allerdings indirekt und langfristig – durch Klimaschutzmaßnahmen, die die Erderwärmung begrenzen, reduziert wird. Die Exposition kann verringert werden, indem z.B. in besonders gefährdeten Bereichen keine Siedlungen und Infrastrukturen gebaut, bzw. wiederaufgebaut und hochwertige Nutzungen zurückgenommen werden. Zusätzlich kann die Verwundbarkeit reduziert werden, etwa durch die Verbesserung von existierenden Warnsystemen. Allgemein können Bewältigungs- und Anpassungskapazitäten erhöht werden.

Sehr häufig wird Risiko als Produkt aus der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses und dem Schadenausmaß definiert. Dieses Risikomaß – der Erwartungswert des Schadens –, der bei technischen Risikoabschätzungen fast ausschließlich verwendet wird, ist jedoch nicht für alle Entscheidungen geeignet. Eine weitereichende Risikoabschätzung wird z.B. im WeltRisikoBericht dargestellt (siehe https://weltrisikobericht.de/#weltrisikoindex).

Auszug aus Grünewald & Merz, 2003, Seite 15; überarbeitet von

Dr. Jennifer von Keyserlingk und Prof. Dr. Annegret Thieken,
Institut für Umweltwissenschaften und Geographie der Universität Potsdam

Stand: November 2024
Quellen