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26.11.2024

Extreme Ereignisse (Update) Extreme Wetterereignisse verursachen jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe. Welche Rolle spielt dabei der Klimawandel? Wie können wir Schäden vermeiden?

Was ist ein Extremereignis?

Die meteorologische Sicht: das Phänomen

Am 12. August 2002 wurde an der Messstation Zinnwald-Georgenfeld im Erzgebirge ein Tagesniederschlag von 312 Liter pro Quadratmeter registriert: nach Aussage des Deutschen Wetterdienstes (DWD) der größte Tageswert seit Beginn der routinemäßigen Messungen in Deutschland! Aber auch in den letzten Jahren kam es immer wieder zu extremen Niederschlägen, die zu schweren Überschwemmungen oder Hochwassern geführt haben. In Münster fielen beispielsweise am 28. Juli 2014 292 Liter pro Quadratmeter in sieben Stunden (DWD, 2014), das ist mehr als normalerweise im gesamten Zeitraum zwischen Mai und August. Besonders in Erinnerung geblieben sind die extremen Niederschläge im Juli 2021 u.a. um die Flüsse Ahr und Erft, aber auch Anfang Juni 2024 am Alpenrand: Am 02.06.2024 verzeichnete der DWD in Raubling-Pfraundorf 137 Liter pro Quadratmeter innerhalb eines Tages (DWD, 2024).

Die höchste gemessene Lufttemperatur in Deutschland beträgt laut DWD 41,2 °C. Dieser Wert wurde am 25. Juli 2019 in Duisburg-Baerl und in Tönisvorst gemessen (DWD, 2020). Damit wurde der bisherige Hitzerekord von 40,3°C aus dem Jahr 2015 übertroffen.

© Alexey Stiop/Fotolia

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Solche Rekordwerte und die atmosphärischen Konstellationen, die diese verursacht haben, heben sich deutlich von Durchschnittswerten ab und zeigen außergewöhnliche Wettersituationen an. Durchschnitts- und Rekordwerte variieren regional – je nach Klimabedingungen – und werden daher auch regional und für verschiedene Zeitskalen zum Beispiel als Stunden-, Tages-, Monats- oder Jahreswerte erfasst.

Mit Voranschreiten des Klimawandels können bestimmte Rekordwerte und atmosphärische Konstellationen sich regional verschieben, d.h. es können Konstellationen in Regionen auftreten, in denen diese vorher nicht zu beobachten waren. Um dies beurteilen zu können, benötigt man jedoch lange Zeitreihen, um die natürliche Variabilität von einem steigenden Trend separieren zu können. Ein einzelnes Ereignis kann daher nicht einfach dem Klimawandel zugeschrieben werden.

Die statistische Sicht: der Seltenheitswert

© A. Thieken - Hochwassermarke.

© A. Thieken - Hochwassermarke.

© U. Satzinger. Magdeburger Domfelsen, der bei niedrigen Wasserständen aus dem Wasser hervortritt und historisch auch als Hungerfelsen bezeichnet wurde. Der Felsen zeigt Niedrigwasser an und stellt zugleich ein erhebliches Hindernis für die Schifffahrt dar.

© U. Satzinger. Magdeburger Domfelsen, der bei niedrigen Wasserständen aus dem Wasser hervortritt und historisch auch als Hungerfelsen bezeichnet wurde. Der Felsen zeigt Niedrigwasser an und stellt zugleich ein erhebliches Hindernis für die Schifffahrt dar.

Rekordwerte sind zunächst Beleg für die natürliche Variationsbreite des Klimas – jeder erinnert sich an besonders kalte und warme Winter oder Sommer. Die Aussage: „So etwas habe ich noch nie erlebt“, ist ein Indiz für den Seltenheitswert eines Ereignisses, sollte jedoch nicht unkritisch übernommen werden. Beispielsweise helfen Hochwassermarken, das kollektive Gedächtnis an extreme Hochwasserereignisse wach zu halten (siehe Foto). An die negativen Folgen von Dürreperioden erinnern sogenannte Hungersteine oder -felsen, die nur bei Niedrigwasser in einem Flussbett sichtbar werden und häufig mit historischen Jahreszahlen versehen sind. Gleichzeitig zeigen solche Steine auch aktuelle Niedrigwasserphasen an. Ein Beispiel ist der Magdeburger Domfelsen, der historisch auch als Hungerfelsen bezeichnet wurde (siehe Foto).

Statistisch gesehen können alle Werte für ein bestimmtes Phänomen, z.B. alle Tageslufttemperaturen an einer bestimmten Messstation, zusammen ausgewertet werden: Man erhält eine Verteilung der empirischen, d.h. beobachteten, Häufigkeiten der Messwerte und kann daran ablesen, welche Werte „normal“ sind, d.h. häufig vorkommen und welche selten oder sehr selten, d.h. als „extrem“ gelten.

Unter Annahme einer zugrunde liegenden statistischen Verteilung können mit statistischen Tests Aussagen darüber getroffen werden, ob sich Verteilungen für zwei verschiedene Zeiträume signifikant unterscheiden. Der Klimawandel kann eine Verteilung verschieben, und zwar sowohl den mittleren Wert als auch die Streuung/Spannbreite. Dies führt auch zu einer Veränderung der Häufigkeit von Extremwerten. Ausmaß und Art sind jedoch auf einer genügend langen Zeitreihe regional zu untersuchen. Für Deutschland sind solche Auswertungen den Klimastatusberichten und dem Nationalen Klimareport des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zu entnehmen (siehe weiterführende Materialien).

Die sozio-ökonomische Sicht: die Katastrophe

„Katastrophen kennt allein der Mensch, sofern er sie überlebt; die Natur kennt keine Katastrophen“ stellte der Schriftsteller Max Frisch (1911-1991) fest. Er deutet damit an, dass ein extremes Ereignis zunächst ein natürliches Phänomen und nichts Kritisches ist. Es kann zur Katastrophe werden, wenn menschliche Werte und Lebensräume unvorbereitet getroffen werden. In diesem Sinne sind extreme Ereignisse solche, die zu hohen Schäden und Todesopfern führen. Diese Sicht zeigt aber auch bereits, dass der Mensch Handlungsoptionen zur Vermeidung und Verringerung von Schäden hat.

Ob es zu einer Katastrophe kommt oder nicht, hängt vom Grad der Exposition gegenüber dem Ereignis, von der Verletzbarkeit und den Bewältigungs- oder Anpassungskapazitäten einer Gesellschaft ab. Eine Gesellschaft ist resilient, wenn sie (1) widerstandsfähig ist, d.h. Schäden erst bei sehr extremen Ereignissen eintreten, (2) sich nach einem Ereignis schnell erholen kann, z.B. Schäden schnell repariert werden, und (3) fähig ist, aus Vergangenem zu lernen und sich an neue Bedingungen anzupassen.

Naturrisiken werden demnach als Zusammenspiel von Gefährdung, Exposition und Vulnerabilität verstanden. Eine Reduzierung von Risiken kann durch eine Reduzierung der Gefährdung, der Exposition oder der Vulnerabilität erfolgen, aber auch durch eine Steigerung der Resilienz (d.h. der Bewältigungs- und Anpassungskapazitäten) erfolgen. Ein modernes Risikomanagement besteht daher aus der Analyse und Bewertung von Gefahren und Risiken sowie einer klugen Kombination von Maßnahmen.