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30.04.2013

Klimawandel und Wirtschaft Der Klimawandel wird sich künftig verstärkt auf die Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen auswirken. Wie greift die Wirtschaft den Klimawandel auf?

Anpassung an den Klimawandel – Welche Aufgabe hat die Wirtschaft und was übernimmt der Staat?

Anpassung in Deutschland ist nötig – aber wer ist zuständig?

Durch den Klimawandel ändern sich die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln – Anpassung erscheint also auch aus ökonomischer Perspektive notwendig. Unter Anpassung an den Klimawandel sind dabei sowohl individuelle als auch institutionelle Maßnahmen in Reaktion auf das sich ändernde Klima zu verstehen, wobei diese vor allem das Ziel haben, die entstehenden Schäden zu begrenzen. Freilich stellt auch die Nutzung von Chancen des Klimawandels eine Form der Anpassung da. Dieses Klimadossier stellt in anderen Texten besonders vulnerable Branchen der deutschen Volkswirtschaft und deren Anpassungspotenziale vor. Davon ausgehend behandelt dieser Beitrag die Fragen: In welchen Situationen ist staatliches Handeln zur Klimaanpassung geboten, und unter welchen Bedingungen sollte die Wirtschaft und der private Haushalt eher ohne staatliches Zutun tätig werden? Wo ist private Anpassung erwartungsgemäß ineffizient, d.h. für die Gesamtwirtschaft nachteilig? Welche weiteren Gründe für staatliches Eingreifen gibt es? Diese Überlegungen sind für die private Wirtschaft von Bedeutung, da der eigene Aktionsradius im Anpassungshandeln natürlich auch durch staatliche Anpassung definiert wird.

Staatliche Anpassung bei Marktversagen

Als wichtigstes Unterscheidungskriterium für Anpassung aus privatem Interesse und Anpassung durch den Staat gilt das Konzept des Marktversagens. Bei funktionierenden Märkten kann private Anpassung ohne Staatseingriff als effizient angesehen werden. Dies ist beispielsweise bei der Pflanzensortenwahl von Landwirten oder bei neuen Transportlösungen in der Binnenschifffahrt der Fall. In diesen Fällen kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass alle Kosten und Nutzen der Maßnahmen in das private Kalkül einbezogen werden und das Marktgeschehen eine effiziente Lösung hervorbringt. Liegt hingegen Marktversagen vor, kann staatliches Eingreifen (etwa die Bereitstellung öffentlicher Güter oder die Regulierung externer Effekte) die ökonomische Effizienz erhöhen. Im deutschen Küstenschutz gibt es mit dem Deichbau als Anpassungsmaßnahme an einen steigenden Meeresspiegel ein prominentes Beispiel für ein öffentliches Gut, welches durch Nichtrivalität in der Nutzung und fehlenden Konsumausschluss gekennzeichnet ist. Auf Grund dieser Eigenschaften versagt der Markt bei der Bereitstellung des Gutes – ein Staatseingriff kann die allgemeine Wohlfahrt steigern.

© deepblue4you/iStock

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In vielen Fällen ist der Staat gefragt, eine effiziente private Anpassung durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen erst zu ermöglichen. Dies wird vor allem bei der nötigen Bereitstellung von Informationen deutlich. Das Wissen über erwartete Klimaentwicklungen, und sei es auch zurzeit noch relativ unsicher, ist essenziell für die Entscheidungen der privaten Wirtschaft (die oftmals einen langfristigen Investitionscharakter haben). Informationen über das sich ändernde Klima sind zugleich ein öffentliches Gut. Die Bereitstellung dieser Informationen ist also eine der wichtigsten Aufgaben des Staates, um die private Wirtschaft in die Lage zu versetzen, fundierte Entscheidungen zu treffen. Ähnlich verhält es sich mit der Gewährleistung rechtlicher Rahmenbedingungen, vor allem für Versicherungsverträge. Die Entwicklung geeigneter Versicherungen durch den Versicherungssektor stellt ohne Zweifel eine der wichtigsten Anpassungsoptionen dar; seien es Ernteertragsversicherungen in der Landwirtschaft oder Elementarschadensversicherungen bei Immobilien.

Hier kommt dem Staat neben der Bereitstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen und Informationen über den Klimawandel aber auch eine andere wichtige Rolle zu: In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass sowohl staatliche als auch private Finanzhilfen nach Flut- oder Dürrekatastrophen gezahlt wurden. Im Falle der Elbeflut von 2002 wurden die Verluste durch Staatshilfen, Versicherungszahlungen und private Spenden sogar überkompensiert. Auch 2013 wurden umfangreiche Staatshilfen ausgezahlt. Diese Kompensationen sind zwar bis zu einem gewissen Grad aus Gründen der Nothilfe und Solidarität sinnvoll, sie schmälern jedoch auch die Anreize, in die private Vorsorge für das nächste Schadensereignis zu investieren. Eine wesentliche staatliche Aufgabe im Zusammenhang mit der Anpassung an den Klimawandel wird es also sein, Bedingungen zu schaffen, unter denen private Immobilienbesitzer das individuelle Schadensrisiko durch den Klimawandel einschätzen können, um ihm angemessen vorzubeugen, etwa durch vorsorgliches Bauen und/oder den Abschluss von Versicherungen. Zugleich muss der Staat glaubwürdig signalisieren, dass nach Katastrophen maximal eine begrenzte Notfallhilfe gewährt wird und kein vollständiger Schadensersatz.

Als ein weiterer Grund für einen Staatseingriff sind externe Effekte von privaten Anpassungsmaßnahmen zu nennen. So können verlängerte Vegetationsphasen und ein ansteigendes Schädlingsaufkommen zu einer höheren Bodenbelastung durch Pestizide und Pflanzenschutzmittel führen oder die Kühlwasserentnahme während Hitzeperioden lässt die Flusswassertemperatur über biologisch kritische Grenzwerte steigen. Hier ergeben sich im Rahmen der Anpassung der privaten Wirtschaft neue und stärkere externe Effekte, die in ihrem Wesen sehr ähnlich zu den bekannten Verschmutzungsproblematiken aus der Umweltökonomie sind.

Auch bei der verstärkten Nutzung von Klimaanlagen ist dies prinzipiell durch den höheren Stromverbrauch und verstärkte CO2-Emissionen der Fall. Allerdings kann diese negative Externalität bereits durch das EU-Emissionshandelssystem grundsätzlich internalisiert werden – das heißt die Kosten des höheren CO2-Ausstoßes können dem Strompreis aufgeschlagen werden.

Staatliche Anpassung auf Grund von Gerechtigkeitsüberlegungen

Neben dem zentralen Kriterium für staatliche Anpassung, dem Marktversagen, gibt es weitere Gründe für ein staatliches Eingreifen. Vor allem handelt es sich hier um vertikale und horizontale Gerechtigkeit (d.h. Ausgleich zwischen Arm und Reich und Gleichheit vor dem Gesetz). Anpassung kann zwar effizient sein, muss dadurch aber nicht automatisch als fair angesehen werden. Dass Gerechtigkeitsaspekte bei der Anpassung in der deutschen Wirtschaft relevant werden können, zeigt ein Beispiel aus dem Versicherungswesen. Steigt das Überschwemmungsrisiko an einzelnen Orten durch den Klimawandel, sind auch höhere Versicherungsprämien möglich oder Versicherungsunternehmen verweigern einzelnen Immobilienbesitzern den Abschluss einer Police, wenn das Risiko als zu hoch eingeschätzt wird. Manche Betriebe könnten sich also außer Stande sehen, eine Überschwemmungsversicherung abzuschließen.

Aus einer rein effizienzgeleiteten ökonomischen Perspektive sollten diese Betriebe entweder in weniger gefährdete Gebiete umsiedeln oder das Risiko mit allen möglichen Konsequenzen selbst tragen. In der Praxis wird dieses Vorgehen aus verschiedenen Gründen jedoch kaum Anwendung finden, unter anderem aus Gründen der Fairness. Manchen Betrieben dürfte eine wichtige ökonomische Rolle vor Ort zugebilligt werden und aus Rücksicht auf die Mitarbeiter könnte der nicht versicherte Betrieb auf staatliche Hilfen hoffen. Daneben spielen die Ausweisungen von Gewerbegebieten eine Rolle. Es dürfte schwer zu vermitteln sein, dass ein Betrieb, der sich gemäß den Bebauungsplänen niedergelassen hat, keine Risikoabsicherung gegen Überschwemmungsschäden erhalten sollte, zumal er nicht dafür verantwortlich gemacht werden kann, dass sich das Naturgefahrenrisiko an seinem Betriebsstandort geändert hat.

Eine rein ökonomisch geleitete Entscheidung würde hier Gerechtigkeitsprobleme aufwerfen. Sollen umgekehrt Gerechtigkeitsaspekte bei der Bereitstellung öffentlicher Güter berücksichtigt werden, wird der Gesetzgeber um eine grundsätzliche Festlegung und Begrenzung von Schutzansprüchen nicht herumkommen.

Staatliche Anpassung auf Grund von Versorgungssicherheit

Dass die Thematik der Versorgungssicherheit im Zusammenhang mit Anpassung an den Klimawandel von Bedeutung ist, zeigt ein Blick auf die davon betroffenen Güter: Energie, Nahrungsmittel und Trinkwasser sind für eine Volkswirtschaft lebensnotwendig. Gleichzeitig gehören die entsprechenden Wirtschaftssektoren zu den anfälligsten bezüglich des Klimawandels. Selbst wenn bei diesen privaten Gütern kein Marktversagen vorliegen sollte, greift der Staat doch auf eine Weise in das Marktgeschehen ein, die eine sichere Versorgung für alle Bürger gewährleisten soll. Dies liegt an den enormen negativen Folgen für Wirtschaft und persönliches Wohlergehen, sollte eines dieser Güter über einen längeren Zeitpunkt nicht für alle Bürger zur Verfügung stehen. Ein Beispiel aus dem Bereich der Energieversorgung ist die Bundesnetzagentur, eine Bundeseinrichtung, die die privaten Stromversorger zu einer sicheren Stromversorgung rechtlich verpflichtet.

Wie im Falle der Gerechtigkeitsproblematik wirft Anpassung an den Klimawandel ein neues Licht auf alte Fragen der Versorgungssicherheit: Welche Waren und Dienstleistungen sind elementar, so dass staatliche Intervention die Versorgungssicherheit gewährleisten sollte? Wie hoch sind die Kosten einer solchen Politik? Was ist ein akzeptables Niveau an Versorgungssicherheit, z.B. im Falle von Trinkwasser? Staatliche Anpassungspolitik wird Antworten auf diese Fragen finden müssen.

Fazit

Unsere Überlegungen haben gezeigt, dass ein Teil der Anpassungsmaßnahmen dezentral, d.h. über funktionierende Märkte, erfolgen kann und sollte. Auch dem Staat kommen bedeutende Aufgaben zu, die unterschiedlich begründet sein können. Zunächst ist staatliches Eingreifen bei der Regulierung von Marktversagenstatbeständen erforderlich. Gleichzeitig wird über die Analyse von Marktversagen auch deutlich, wo der Staat nicht eingreifen sollte und private Anpassung zur effizienten Lösung führt.

Als weitere Gründe für staatliches Eingreifen sind Gerechtigkeitsaspekte und Versorgungssicherheit zu nennen. Eine Politik, die das Ziel verfolgt, allen Bürger gleichermaßen Zugang zu lebenswichtigen Gütern zu gewährleisten, muss zunächst diese Güter identifizieren. Zur Zielerreichung sollten dann Instrumente und Maßnahmen gewählt werden, die die Gesamtwohlfahrt möglichst wenig beeinträchtigen.