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04.03.2013

Klimawandel in Norddeutschland Wie wirkt sich der Klimawandel in Norddeutschland aus? Erfahren sie mehr über die regionale Ausprägung des Klimawandels und die Anpassungsfähigkeit von Ökosystemen und Bevölkerung.

Auswirkungen des Klimawandels auf Landökosysteme Norddeutschlands

Die Auswirkungen des Klimawandels der vergangenen Dekaden auf die jahreszeitlichen Entwicklungserscheinungen der Natur sind bereits offensichtlich: Aufgrund der höheren Lufttemperaturen hat sich die thermische Vegetationszeit verlängert. Sie ist durch Schwellenwerte der Tagesmitteltemperaturen gekennzeichnet. Sie beginnt, wenn im Frühjahr eine Tagesmitteltemperatur von 5°C überschritten wird und endet, wenn im Herbst derselbe Schwellenwert unterschritten wird. Innerhalb des Zeitraumes 1961 bis 2005 hat sich dieser Zeitraum in Deutschland um 25 Tage verlängert, wobei sich der Vegetationsbeginn mit 19 Tagen deutlich stärker verfrüht hat als das Vegetationsende mit 6 Tagen (Chmielewski 2011). Entwicklungen in Norddeutschland weisen in dieselbe Richtung.

Abbildung 5 zeigt den Blühbeginn der Forsythie in Hamburg im Zeitraum 1945-2009. Angegeben ist der Blühbeginn in Anzahl der Tage seit Jahresbeginn, bezogen auf das mittlere Datum des Blühbeginns über den gesamten Beobachtungszeitraum 1945–2009. Die Auswertung lässt erkennen, dass seit Ende der achtziger Jahre der Blühbeginn der Forsythie in Hamburg verglichen zum langjährigen Mittel vermehrt früher einsetzt. Insgesamt zeigt sich, dass der Beginn der Forsythienblüte heute etwa 4 Wochen früher eintritt als Ende der vierziger Jahre (Abb. 5, Jensen et al. 2011).

Abb. 5: Blühbeginn der Forsythie in Hamburg, beruhend auf Beobachtungen an der Lombardsbrücke durch Carl Wendorf und Jens Iska-Holtz im Zeitraum 1945-2009. Angegeben ist der Blühbeginn bezogen auf das mittlere Datum des Beginns der Forsythien-Blüte über den gesamten Beobachtungszeitraum 1945–2009 (26. März; Datenquelle: dwd.de) (aus: Jensen et al. 2011).

Abb. 5: Blühbeginn der Forsythie in Hamburg, beruhend auf Beobachtungen an der Lombardsbrücke durch Carl Wendorf und Jens Iska-Holtz im Zeitraum 1945-2009. Angegeben ist der Blühbeginn bezogen auf das mittlere Datum des Beginns der Forsythien-Blüte über den gesamten Beobachtungszeitraum 1945–2009 (26. März; Datenquelle: dwd.de) (aus: Jensen et al. 2011).

Wälder

Veränderte Klimabedingungen können deutliche Auswirkungen auf Waldökosysteme in Norddeutschland haben. Um die Anpassungsfähigkeit verschiedener Baumarten an ein verändertes Klima abschätzen zu können, wurden für Deutschland sogenannte Klimahüllen erarbeitet.

Klimahüllen geben den Bereich der Jahrestemperatur und der Jahresniederschlagssumme an, in dem eine Baumart in einer natürlichen Waldgesellschaft gedeiht. Daraus lässt sich ableiten, inwieweit sich Standortbedingungen für bestimmte Baumarten durch mögliche zukünftige Klimaänderungen verändern können.

Basierend auf dem optimistischen Treibhausgasszenario B1 zeigen Kölling und Zimmermann 2007, dass sich diverse Baumarten selbst an moderate Klimaänderungen nicht anpassen können. Hierzu zählen Fichte, Waldkiefer, Lärche und Weißtanne. Diese hoch anfälligen Arten nehmen in Deutschland insgesamt mehr als 50% der Waldflächen ein (Kölling und Zimmermann 2007).

Weniger stark würden sich moderate Klimaänderungen auf Ahorn, Birke, Ulme, Douglasie, Rotbuche und Winterlinde auswirken. Nicht beeinträchtigt wären mediterrane Baumarten wie Esskastanie, verschiedene Eichenarten (Flaumeiche, Stieleiche und Traubeneiche) sowie Esche und Sommerlinde (Kölling und Zimmermann 2007).

Tabelle 2 zeigt die Zusammensetzung der Wälder in den norddeutschen Regionen. Allein die gefährdeten Arten Lärche, Kiefer und Fichte machen in Norddeutschland einen Anteil zwischen 36% (Schleswig-Holstein) und 71% (Ostniedersächsisches Tiefland) aus. Die einzige mengenmäßig nennenswerte Baumart in Norddeutschland, die möglicherweise nicht durch moderate Klimaänderungen beeinträchtigt wäre, stellt die Eiche dar. Sie macht in Norddeutschland einen Flächenanteil von 9% (Ostniedersächsisches Tiefland) bis 15% (Schleswig-Holstein) aus.

Betrachtet man im Hinblick auf einen moderaten Klimawandel die Widerstandsfähigkeit der Wälder auf Basis der Zusammensetzung verschiedener Arten, so zeigt sich, dass sich der Klimawandel im Wald des ostniedersächsischen Tieflandes am stärksten auswirken würde. In Schleswig-Holstein hingegen ist wegen des geringen Flächenanteils stark gefährdeter Baumarten mit den geringsten Auswirkungen auf den Wald zu rechnen.

Tabelle 2: Flächenanteile der Waldbäume (in Prozent) in Hamburg, Schleswig-Holstein und im west- und ostniedersächsischen Tiefland. Quellen: GFA Terra Systems (2004), MLUR (2007), Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2004). (aus: Jensen et al. 2011, verändert)

Hamburg Schleswig-Holstein Westnieder-sächsisches Tiefland Ostnieder-sächsisches Tiefland Mecklenburg-Vorpommern
Laubbäume 56 61 46 27 48
davon
Buche 12 19 4 2 12
Eiche 11 15 15 9 9
Esche, Ahorn, Ulme, Hainbuche, Kirsche 7 8 2 1 7
Birke, Weide, Erle, Pappel 26 19 25 15 20
Nadelbäume 44 39 54 73 52
davon
Kiefer, Lärche, Fichte 44 36 50 71 51
Douglasie in Fichte enthalten 3 4 2 1

Heiden

Heiden sind eine von Zwergsträuchern dominierte Vegetationsform, die in Mitteleuropa überwiegend durch die Beweidung mit verschiednen Haustierarten wie Schafen und Rindern entstanden ist. Nach der Aufgabe des Heidebauerntums vor ca. 200 Jahren wurden die meisten Heideflächen in andere Nutzungsformen überführt.

Anstelle von Heiden entstanden Forsten und zum Teil auch Äcker. Diese Nutzungsänderungen führten in Norddeutschland zu einer starken Reduzierung der Heide: Während noch vor ca.- 200 Jahren die Besen- und Glockenheide ungefähr 50% des norddeutschen Tieflandes ausmachten, ging diese Vegetationsform auf weniger als 1% zur Jahrtausendwende zurück. Abbildung 6 zeigt am Beispiel von Niedersachsen den Rückgang der Heidelandschaft seit 1800 (vgl. Härdtle et al. 2008).

Abb 6: Rückgang von Heidelandschaften in Niedersachsen von 1800 bis 2000 nach Assmann und Janssen 1999, verändert Härdtle et al. 2008)

Abb 6: Rückgang von Heidelandschaften in Niedersachsen von 1800 bis 2000 nach Assmann und Janssen 1999, verändert Härdtle et al. 2008)

Durch die landwirtschaftliche Nutzung und dem Einsatz von künstlichen Düngern sind Heiden als nährstoffarme Standorte zusätzlich in ihrem Bestand gefährdet. Ihre Erhaltung ist von Renaturierungsmaßnahmen abhängig, die ihre Standorte nährstoffarm halten.

Die historische Entwicklung der Heideflächen zeigt, dass der direkte menschliche Einfluss durch veränderte Nutzungsformen bereits zu einer starken Reduktion des Flächenanteils geführt hat. Aber auch die Auswirkungen des Klimawandels wie beispielsweise die Zunahme von Dürreperioden oder Starkregen kann sich negativ auf diese Kulturlandschaften auswirken. So reagieren beispielsweise die Keimlinge der Besenheide empfindlich auf Trockenheit.

Ein gesteigertes Wachstum durch einen erhöhten Stickstoffeintrag erhöht den Wasserbedarf zusätzlich und verstärkt so den Stress der Pflanzen bei Dürre. Auch ausgewachsene Besenheiden zeigen in Dürreperioden einen Rückgang ihrer Produktivität (Jensen et al. 2011).
 Bildvergrößerung Abb. 6

Moore

Moore haben weltweit als Kohlenstoffspeicher eine herausragende Bedeutung. Obwohl sie nur 3% der Landoberfläche bedecken, speichern sie 20 bis 30% des weltweit in Böden gebundenen Kohlenstoffs.

Seit Jahrtausenden stellten Moore daher eine wichtige Kohlenstoffsenke dar. Durch anthropogene Eingriffe sind Moore aber inzwischen zu einer bedeutenden Kohlenstoffquelle geworden. (Jensen et al. 2011). In Deutschland nehmen Moorböden ca. 4 % der Bundesfläche ein (Succow & Joosten 2001). Davon befinden sich 78% im norddeutschen Tiefland. Während Moorböden bis ins 17. Jahrhundert noch weitgehend unberührt waren und Torfwachstum aufwiesen, werden heute etwa 90 % der Moorböden wirtschaftlich genutzt. Der Abbau von Torf findet in Deutschland zu 90 % in Niedersachsen statt.

Diese und andere Nutzungen wie Grünland, Äcker und Forst gehen mit einer Entwässerung einher. Torfschwund, Bodensackung und somit Zerstörung der Moore sind Folgen dieser Nutzungen. Zudem können sich auch die zu erwartenden Klimaänderungen in Norddeutschland negativ auf die Moore auswirken. Allgemein wird erwartet, dass steigende Temperaturen sowohl zu einem Verlust von gespeichertem Kohlenstoff als auch längerfristig zu einem veränderten Artenspektrum in Mooren führen (Jensen et al. 2011). Verminderte Niederschläge während der Vegetationsperioden können sich direkt negativ auf das Wachstum einzelner Torfmoosarten auswirken und so ebenfalls die Speicherung von Kohlenstoff verringern.

Bei langfristiger Austrocknung würden Gräser und Zwergsträucher, aber auch Birken profitieren. Letztere würde durch ihre hohen Verdunstungsraten die Austrocknung der Moore weiter voran treiben. Nach Phasen der Austrocknung ist die Torfoberfläche anfällig für Erosion. So können Starkregenereignisse Schäden an der Vegetation oder am Torfkörper hervorrufen (Jensen et al. 2011).

Urbane Ökosysteme

Die städtische Vegetation trägt durch Transpiration und verringertes Wärmespeicherungsvermögen gegenüber versiegelten Flächen positiv zum Stadtklima bei. Urbanisierung kann auf Ökosysteme ähnliche Effekte haben wie der Klimawandel.

So entsprechen viele der Bedingungen, die heute schon in Städten vorherrschen, den klimatischen Bedingungen, die für ländliche Naturräume durch den menschlich verursachten Klimawandel projiziert werden. Dazu gehören steigende Temperaturen und veränderte Niederschlagsmengen, mit denen die Austrocknung der Böden einhergehen kann.

Vor allem wärme- und trockenheitsliebende Arten können sich unter diesen Bedingungen verstärkt im urbanen Raum etablieren. Auch Invasionsprozesse können durch den erwarteten Anstieg der Temperatur zunehmen. Bereits heute haben sich in norddeutschen Städten gebietsfremde Arten aus wärmeren Regionen wie beispielsweise die Beifuß-Ambrosie angesiedelt. Eine weitere Zuwanderung bei steigenden Temperaturen ist zu erwarten (Jensen et al. 2011).