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26.01.2017

Regionale Klimamodellierung Mit Methoden der regionalen Klimamodellierung werden globale Klimadaten für einzelne Regionen räumlich verfeinert.

Kopplung Atmosphäre - Vegetation

Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Vegetation

Zwischen Atmosphäre und Vegetation bestehen zahlreiche Wechselwirkungen. Zum einen beeinflussen die atmosphärischen Bedingungen wie zum Beispiel Temperatur, Luftfeuchte, Sonneneinstrahlung und chemische Zusammensetzung der Atmosphäre die Verteilung der Vegetation und die Physiologie der Pflanzen. Zum anderen bestimmen pflanzenphysiologischen Prozesse und Eigenschaften der Vegetationsbedeckung den Austausch von Stoffen, Energie und Impuls an der Landoberfläche. Diese beeinflussen die unterste Schicht der Atmosphäre. Diese Schicht wird atmosphärische Grenzschicht genannt und kann sich bis in Höhen von einigen hundert bis wenigen tausend Metern ausdehnen. Der Zustand der atmosphärischen Grenzschicht wirkt weiterhin auf den Zustand der überlagernden Atmosphäre und kann so die Zustandsänderungen in der Grenzschicht auch über große Entfernungen transportieren. Regionale und lokale Prozesse, welche zwischen Atmosphäre und Vegetation stattfinden, beeinflussen somit nicht nur die direkte Umgebung, sondern können sich in entfernten Regionen bemerkbar machen.

Es können Wechselwirkungen auf unterschiedlichen zeitlichen Skalen unterschieden werden. Auf kurzen Zeitskalen findet der Austausch von Kohlendioxid und Wasser über die Spaltenöffnungen der Blätter statt. Ein erhöhter Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre zum Beispiel bewirkt eine effektivere Photosyntheseleistung der Pflanzen. Bei gleichzeitig begrenzter Wasserverfügbarkeit kann sich dadurch die Leitfähigkeit der Spaltenöffnungen verringern, so dass die Pflanzen weniger Wasser abgeben. Dadurch wird weniger Wasser in die Atmosphäre verdunstet und es verbleibt mehr Wasser im Boden. Es wird weniger Energie zur Verdunstung von Wasser verbraucht und damit der lokale Kreislauf von Wasser und Energie verändert.

Im Jahreszyklus ist der gesamte Kohlenstoffkreislauf zu betrachten vom Wachstum der Pflanzen durch Festlegung von Kohlenstoff bis zum Absterben von Pflanzenmaterial und seine mikrobielle Umsetzung in Humus und zurück in Kohlendioxid. Diese Prozesse hängen sehr stark von Temperatur und Feuchte in der Atmosphäre ab. Eine wichtige Rolle spielen auch die Verfügbarkeit von Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor. Die entsprechende Bedeckung der Landoberfläche mit Vegetation und abgestorbenen Pflanzenmaterial wirkt wiederum zurück auf den Austausch von Wasser, Energie und Impuls zwischen Land und Atmosphäre.

Auf langen Zeitskalen von vielen Jahren variiert die Vegetationsbedeckung und ihre räumliche Verbreitung mit Veränderung des Klimas. Sie kann sich aber auch kurzfristig zum Beispiel durch Stürme, Pflanzenschädlinge oder Waldbrände, aber auch durch Landnutzung des Menschen verändern, was wiederum Rückwirkungen auf die Atmosphäre und das Klima hat. Durch die Rodung von Waldflächen zum Beispiel kann der Boden weniger Feuchtigkeit speichern. Weiterhin wird weniger Feuchtigkeit verdunstet. Das kann zu einer Verringerung der Niederschläge führen, was sich lokal am Ort der Rodung oder auch an einem anderen Ort bemerkbar machen kann.

Die Wechselwirkungen sind sehr komplex und können sich selbst und gegenseitig verstärken oder abschwächen. Dadurch entstehen nicht-lineare Rückkopplungen, die nur in voll gekoppelten Atmosphären - Vegetationsmodellen abgebildet werden können.

Detailierte Abbildung in regionalen Klimamodellen

Durch kleinteilige topographische Gliederung und diverse Bedeckung der Oberfläche mit unterschiedlichen Pflanzentypen ist eine möglichst detaillierte Abbildung von Pedosphäre, Hydrosphäre und Biosphäre von großer Wichtigkeit. Für die detaillierte Darstellung ist eine hohe geometrische Auflösung des Modells notwendig. Durch die Beschränkung von technischen Möglichkeiten sind lange Zeiträume im Jahrhundertbereich nicht von Modellen simulierbar, die die gesamte Erde in einer derartigen Detailliertheit abbilden könnten. Hier bieten sich regionale Klimamodelle an, die nur einen Teil der Erde mit einer hohen Detailtreue abbilden und somit in der Lage sind, lange Zeiträume zu simulieren.

REMO-iMOVE: Kopplung regionales Klimamodell REMO mit dynamischem Vegetationsmodell JSBACH

Das regionale Klimamodell REMO kann in hohen geometrischen Auflösungen benutzt werden und ist durch die Kopplung an das dynamische Vegetationsmodell JSBACH in der Lage, die oben genannten Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Vegetation in einem hohen Detailierungsgrad abzubilden. Die Kopplung an das dynamische Vegetationsmodell JSBACH wurde durch die Integration von Teilen des Vegetationsmodells direkt in das Regionalmodell REMO realisiert. Das Modellsystem wird REMO-iMOVE genannt: REMO mit interaktiver mosaikbasierter Vegetationskopplung. Wie in Abbildung 1 zu sehen, werden die Vegetationsmodule mit allen notwendigen atmosphärischen Variablen versorgt, um die physikalischen Vegetationsprozesse durchzuführen. Die Vegetationsprozesse melden dann wiederum die geänderten Bedingungen an die Atmosphäre zurück, wodurch eine Interaktion der beiden Modelle entsteht.

Abbildung 1: Interaktive Kopplung von REMO mit Vegetationsmodulen von JSBACH

Abbildung 1: Interaktive Kopplung von REMO mit Vegetationsmodulen von JSBACH

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Funktionelle Pflanzentypen

Anders als die Basisversion des regionalen Klimamodells REMO beruht die Simulation der Oberflächenbedeckung von REMO-iMOVE auf funktionellen Pflanzentypen. Die Simulation von funktionellen Pflanzentypen (Abbildung 2) ermöglicht es biophysikalische Eigenschaften verschiedener Vegetationstypen und deren spezielle Charakteristika zu betrachten. Die Bedeckung einer Gitterzelle mit bestimmten funktionellen Pflanzentypen wird in prozentualen Anteilen angegeben. In REMO-iMOVE ist es durch diesen Ansatz beispielsweise möglich, den Übergang einer Steppenlandschaft in eine Waldgesellschaft konsistent zu modellieren.

Abbildung 2: Verteilung wichtiger funktioneller Pflanzentypen (PFTs) in REMO-iMOVE basierend auf GLOBCOVER 2000 und Zuordnung mittels Holdrige Ökosystemklassifikation (Holdridge 1964)

Abbildung 2: Verteilung wichtiger funktioneller Pflanzentypen (PFTs) in REMO-iMOVE basierend auf GLOBCOVER 2000 und Zuordnung mittels Holdrige Ökosystemklassifikation (Holdridge 1964)

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Anwendungen des regionalen Klimasystemmodells REMO-iMOVE

Landnutzungsänderungen

Mit REMO-iMOVE ist es nun möglich konsistente Studien zu Landnutzungsänderungen durchzuführen. Abbildung 3 zeigt beispielsweise die Änderung der Landoberflächenbedeckung von landwirtschaftlich genutzter Fläche und Wald im Zeitraum 1995 zu 1950. In dieser Abbildung bedeuten rote Farbschattierungen eine Abnahme, blaue hingegen eine Zunahme der Flächenanteile in 1950 relativ zu 1995. Mit diesen Informationen können Simulationen durchgeführt werden, in denen die klimatischen Einflüsse solcher Landnutzungsänderungen errechnet werden.

Abbildung 3: Änderungen des Anteils der Oberflächenbedeckung von landwirtschaftlich genutzter Fläche (links) und Wald (rechits) im Zeitraum 1995 gegenüber 1950; basierend auf den harmonisierten Landnutzungsszenarien 1500 bis 2100 von Hurtt et al. (2011)

Abbildung 3: Änderungen des Anteils der Oberflächenbedeckung von landwirtschaftlich genutzter Fläche (links) und Wald (rechits) im Zeitraum 1995 gegenüber 1950; basierend auf den harmonisierten Landnutzungsszenarien 1500 bis 2100 von Hurtt et al. (2011)

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Modellierung neuer Prozesse

Eine grundlegende Neuerung im Vergleich zum Standardmodell REMO (s. REMO Modellbeschreibung in diesem Dossier) ist die direkte Repräsentierung von funktionellen Pflanzentypen und die Modellierung pflanzenphysiologischer Prozesse in Wechselwirkung mit der Atmosphäre im gekoppelten Modellsystem REMO-iMOVE. So können zum Beispiel der Kohlendioxidgehalt und der Wassergehalt der Atmosphäre direkt auf die Leitfähigkeit der Spaltenöffnungen von Pflanzen Einfluss nehmen und diese wiederum den Austausch von Wasser und Energie mit der Atmosphäre beeinflussen. Diese Prozesse hängen von vielen weiteren Bedingungen in Atmosphäre und Boden ab. Diese komplexen Zusammenhänge können im gekoppelten Atmosphären-Biosphären-Modell berechnet und damit auch nicht-lineare Wechselwirkungen erfasst werden.

Evaluierung REMO-iMOVE

Eine ausführliche Beschreibung und Evaluierung des neuen regionalen Klimasystemmodells REMO-iMOVE findet sich in Wilhelm et al., 2014.