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02.01.2025

Niedrigwasser in Deutschland Dieser Betrag beleuchtet die Ursachen und Folgen von Niedrigwasser in Deutschland, welche Rolle der Klimawandel hierbei spielt und wie man sich darauf vorbereiten kann.

Niedrigwasser traten vor allem in den vergangenen Jahren häufiger ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Maßgeblich dafür sind die Niedrigwasserereignisse der Jahre 2015, 2018, 2019, 2020 und 2022, welche je nach Region zu massiven ökonomischen und ökologischen Schäden führten. Für das Niedrigwasser 2018 beziffern Streng et al. (2020) die Schäden allein für die Schifffahrt in Deutschland und den Niederlanden auf ca. 2,7 Milliarden €. Niedrigwasser sind kein neues Phänomen, sondern sind Teil des natürlichen Abflussregimes von Fließgewässern. Sie sind durch unterdurchschnittlichen Wasserstand oder Durchfluss gekennzeichnet, der mit Hilfe von gewässerkundlichen Kennwerten erfasst wird (z.B. dem mittleren Niedrigwasserdurchfluss MNQ).

Abbildung 1: Magdeburger (Dom-) Hungerfelsen bei mittlerem Niedrigwasserabfluss. © U. Satzinger

Abbildung 1: Magdeburger (Dom-) Hungerfelsen bei mittlerem Niedrigwasserabfluss. © U. Satzinger

Auch in der Vergangenheit gab es Niedrigwasser mit dramatischen Folgen. Auf dem Hungerstein im nordböhmischen Děčín steht geschrieben: „Wenn du mich siehst, dann weine.“ Hungersteine sind fest im Flussbett verankerte Felsen, die nur bei extrem niedrigen Wasserständen sichtbar werden. Ihr Name erinnert an Hungersnöte, die durch Dürre und Missernten ausgelöst wurden. Die ältesten Inschriften des Hungersteins in Děčín stammen aus dem Jahr 1417, die älteste noch lesbare aus 1616 (Elleder et al., 2020). Ein weiterer markanter Indikator für Niedrigwasser ist der Magdeburger Domfelsen, welcher auch in Abbildung 1 zu sehen ist. Dieser ragt bei niedrigem Wasserstand in der Nähe des Magdeburger Doms hervor und erstreckt sich fast über die gesamte Elbe.

Entstehung von Niedrigwasser

Niedrigwasserereignisse sind natürliche Phänomene, welche das Resultat langanhaltender Perioden mit zu geringen Niederschlägen und hohen Verdunstungsraten sind. Niedrigwasser entsteht (im Gegensatz zu Hochwasser) über einen Zeitraum von Monaten oder Jahren; es ist also mehr ein schleichender Prozess. Hinsichtlich der räumlichen Ausprägung treten Niedrigwasserereignisse in der Regel als Folge großräumiger Wetterlagen auf, weshalb sehr große Gebiete betroffen sind. Die Entstehung von Niedrigwasser hat unterschiedliche Faktoren, wobei der fehlende Niederschlag und die hohe Verdunstung die entscheidenden Größen sind. Weitere Faktoren, die Niedrigwasser begünstigen können, sind unter anderen die Eigenschaften des Einzugsgebietes, etwa die Speicherkapazität des Grundwassers. In Flüssen, die sich aus alpinen Regionen speisen (z. B. Rhein), spielen Abflüsse aus dem Abschmelzen der Gletscher eine Rolle, die die Flusswasserstände im Sommer noch über weite Flusstrecken beeinflussen können. Während des extremen Niedrigwassers 2003 machte die Gletscherschmelze beispielsweise bis zu einem Drittel des Abflusses in Basel aus (Stahl et al., 2016). In den übrigen Gewässern spielt die Schneeauflage nur im Winterhalbjahr eine Rolle. Weiterhin haben anthropogene Veränderungen einen erheblichen Einfluss auf das Niedrigwasser der Fließgewässer. So kann in kleineren Flüssen der Abfluss durch gereinigtes Abwasser aus Kläranlagen gestützt werden, wodurch es allerdings zu erhöhten (Schad-)Stoffkonzentrationen kommen kann. Der Bau und Betrieb von Talsperren und die damit häufig verbundene Niedrigwasseraufhöhung in trockenen Perioden können ebenfalls Niedrigwasser abmindern. Im Gegenzug ist die Wassernutzung, etwa für Bewässerungszwecke mit Entnahmen verbunden, wodurch Niedrigwassersituationen verschärft werden.

Folgen von Niedrigwasser

Niedrigwasser ist eine Herausforderung für die Ökologie der betroffenen Fließgewässer, da es durch die niedrigen Wasserstände zum Verlust des Lebensraumes und der Laichplätze kommt. Zudem spielt im Zusammenhang mit Niedrigwasser die Wasserqualität eine zentrale Rolle. Neben einer Erhöhung der Schadstoff- und Nährstoffkonzentrationen aufgrund der fehlenden Verdünnungswirkung, kommt es zudem meist zu einer starken Erhöhung der Wassertemperatur, wodurch wiederum der Sauerstoffgehalt des Wassers sinkt. Dies kann in Extremfällen zu Fischsterben führen, es aber in jedem Fall begünstigen. Ein prominentes Beispiel ist das Fischsterben in der Oder im Jahr 2022, welches zwar nicht allein durch Niedrigwasser hervorgerufen wurde, sondern durch eine komplexe Verkettung von Ereignissen, die zum Wachstum einer giftigen Algenart geführt hat. Die damals vorherrschende Niedrigwassersituation in der Oder verschärfte diese Situation jedoch (Schulte et al., 2022).

Die ökonomischen Folgen sind sehr unterschiedlich und abhängig von der Nutzung des Gewässers durch den Menschen. Eine Übersicht über die verschiedenen ökonomischen Folgen ist in Folkens et al. (2023) zu finden. Durch Niedrigwasser kann beispielsweise die Stromproduktion in Wasserkraftwerken eingeschränkt sein. Freizeitaktivitäten, Tourismus, Trinkwasserversorgung und viele andere Sektoren können von Niedrigwasser betroffen sein. Auch durch hohe Wassertemperaturen kann es zu ökonomischen Konsequenzen kommen. So kann während Niedrigwasserereignissen infolge erhöhter Wassertemperaturen die Wasserentnahme für thermische Kraftwerke zur Stromerzeugung (Kühlung) eingeschränkt oder vollständig untersagt werden. Dies führt zu enormen Leistungseinbußen bei der Stromproduktion bis hin zum Totalausfall der Kraftwerke (European Commission et al., 2018). An großen Schifffahrtsstraßen wie etwa Rhein - der wichtigsten Binnenwasserstraße Deutschlands - und Elbe kann es durch Niedrigwasser zu erheblichen Einbußen für die Schifffahrt und vom Transport abhängiger Industrie kommen. Aufgrund der reduzierten Fahrrinnentiefe in Folge von Niedrigwasser können die Schiffe nur noch einen Teil der maximalen Fracht transportieren. Je nach Wasserstand und Schiffstyp muss der Betrieb völlig eingestellt werden. Im Dürrejahr 2018 transportierten Deutschlands Binnenschiffe insgesamt rund 25 Mio. Tonnen Güter weniger als im Vorjahr, das entspricht einem Rückgang um 11,1 % (UBA, 2023). Durch die Reduzierung der Transportmengen kann es regional zu Lieferengpässen und/oder Preisanstiegen bei von der Schifffahrt transportierten Gütern kommen, wodurch auch andere Akteure indirekt von Niedrigwasser betroffen sind.

Niedrigwasser im Klimawandel

Aktuelle Klimamodelle gehen von einer Zunahme der Extremereignisse Hochwasser und Niedrigwasser aus. Ungeachtet des betrachteten Klimawandelszenarios ist eine Veränderung des Niederschlagsgeschehens vorausgesagt. Es kommt zu einer Abnahme der Niederschläge im Sommer (bei zunehmender Verdunstung) und zu einer Erhöhung der Niederschläge im Winter. Dies führt zu einer Verschärfung der Niedrigwassersituation besonders in den Sommermonaten. Klimaprojektionen deuten auf eine Zunahme der Dauer und Häufigkeit von Niedrigwasserereignissen hin (Belz et al., 2021). Besonders problematisch stellt sich die Erhöhung der Wassertemperatur in Folge des Klimawandels dar. Die Anzahl der Tage mit kritischen Temperaturen für Fische und andere Wasserorganismen wird deutlich zunehmen und so zu einer Belastung für die Gewässerökologie.

Risikomanagement für Niedrigwasser

Eine Möglichkeit, den häufiger werdenden Niedrigwasserereignissen zu begegnen, ist die Implementierung eines holistischen Niedrigwasserrisikomanagements. Dabei gilt es, zunächst in der Risikoanalyse zu ermitteln, welches Risiko vorliegt (Satzinger & Bachmann, 2024). In einer umfassenden Niedrigwasserrisikoanalyse werden von der Entstehung (Wetter, Hydrologie) über die Ausprägung (Hydrodynamik) bis hin zu den Folgen (ökologische und ökonomische Folgen) alle Aspekte betrachtet. Der Risikowert beschreibt die Kombination aus Eintrittswahrscheinlichkeit und den damit verbundenen Konsequenzen. Das Risiko kann akzeptiert werden oder als nicht akzeptabel gelten. Diese Akzeptanzprüfung gilt es, gesellschaftlich/politisch transparent zu treffen (Risikokommunikation).

Abbildung 2: Schema eines Niedrigwasserrisikomanagement (nach Satzinger et al., 2023)

Abbildung 2: Schema eines Niedrigwasserrisikomanagement (nach Satzinger et al., 2023)

Wird das vorhandene Niedrigwasserrisiko nicht akzeptiert, müssen Maßnahmen zur Risikominderung entwickelt und bewertet werden. Beispiele für solche Minderungsmaßnahmen sind verstärkter (natürlicher/anthropogener) Wasserrückhalt im Einzugsgebiet, Verbesserung der Gewässerläufe unter ökologischen oder nutzungsspezifischen Aspekten (z. B. Niedrigwasserrinne) oder Reduktion des Wasserbedarfs. Wird das vorhandene Niedrigwasserrisiko akzeptiert, wird immer ein Restrisiko verbleiben, mit dem umgegangen werden muss. Es ist wichtig, dieses Restrisiko zu kommunizieren und ein Bewusstsein dafür zu schaffen.

Autoren:

Udo Satzinger (M.Eng.) & Prof. Dr.-Ing. Daniel Bachmann,
Hochschule Magdeburg-Stendal
Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit

Quellen: