Naturkatastrophen in Deutschland - ein Überblick
Extreme Naturereignisse sind dem dynamischen Planet Erde immanent und damit Bestandteil unserer Umwelt. Sie können auch in Deutschland zu enormen Schäden führen. Ob aus Naturereignissen Katastrophen werden, hängt von der Anfälligkeit und Vorsorge der Gesellschaft ab.
Anzahl und Intensität solcher Extremereignisse sind starken Schwankungen unterworfen. Aufgrund der treibhausbedingten Erhöhung der sensiblen und latenten Energieanteile in der Atmosphäre ist künftig mit einer Zunahme von wetterbedingten Extremereignissen zu rechnen. Jedoch lassen vor allem zunehmende Wertekonzentration und Anfälligkeit höhere Schäden durch Naturgefahren erwarten.
Welche Naturgefahren drohen in Deutschland?
Atmosphäre und Lithosphäre (= feste Gesteinshülle der Erde) sind die Hauptquellen von extremen Naturereignissen. So lassen sich Stürme, Starkniederschläge, Hagelereignisse, Hitze- und Kältewellen sowie Blitzschlag den direkten atmosphärischen Auswirkungen zuschreiben. Daraus resultieren Sturmfluten an den Küsten, Sturzfluten in steilen Einzugsgebieten oder in bebauten Gebieten und Überflutungen durch Flusshochwasser.
© KlausMJan/Fotolia - Niedrigwasser am Rhein
Auch Dürreperioden aufgrund lang anhaltend hoher Temperaturen mit großen Verdunstungsraten sowie Waldbrände sind indirekte atmosphärische Auswirkungen. Die Prozesse der festen Gesteinshülle bis 100 km Tiefe können Erdbeben und Vulkanausbrüche hervorrufen. Obgleich es in Deutschland momentan keine aktiven Vulkane gibt, sprechen Vulkanologen dennoch von der Möglichkeit, dass es in der Eifel wieder zu Eruptionen kommen kann. Erdrutsche, Muren und Lawinen können atmosphärisch oder lithosphärisch bzw. durch eine Interaktion verschiedener Auslöser verursacht werden. So kann eine Hangrutschung durch leichtere Erdbeben im Zusammenspiel mit atmosphärischen Vorbedingungen wie lang anhaltende Niederschläge und mächtige Schneeauflagen ausgelöst werden.
Selten bedacht und dennoch möglich sind extraterrestrisch verursachte Naturgefahren. Solare Eruptionen führen zu magnetischen Stürmen, die beispielsweise großräumige Stromausfälle infolge von Störströmen in Überlandleitungen oder Fehlfunktionen von Satelliten mit Störungen von Navigations- oder Kommunikationssystemen nach sich ziehen können. Die denkbar verheerendsten Naturkatastrophen sind Meteoriteneinschläge mit Einschlagkratern bis zu mehreren 100 Kilometern Durchmesser und globalen Auswirkungen. Außerdem ist noch der Mensch als Auslöser oder Verstärker von Katastrophen zu nennen, z.B. bei vorsätzlich gelegten Waldbränden oder bei Lawinen und Erdrutschen auf entwaldeten Flächen. Letztes vom Menschen verursachte Ereignis war der Erdrutsch auf einer ehemaligen Abraumhalde eines Braunkohletagebaus im Sachsen-Anhaltischen Nachterstedt im Juli 2009. Erdmassen rutschten 40 m tief in einen Tagebaurestsee und rissen mehrere Gebäude mit sich. Diese Katastrophe forderte drei Todesopfer und 41 Menschen verloren ihr Obdach.
© Michl/Fotolia - Sturmschäden durch Kyrill
Welche volkswirtschaftliche Gesamtschäden Naturgefahren verursachen können, zeigen die letzten großen Naturkatastrophen in Deutschland, der Wintersturm Kyrill 2007 mit Schäden in Höhe von 4,2 Mrd. Euro (Münchener Rück 2008) und das Elbe-Hochwasser 2002 mit Schäden in Höhe von 11,8 Mrd. Euro (Münchener Rück 2007). Betrachtet man alle Naturereignisse im Zeitraum von 1970 bis 1998, so wird deutlich, dass Sturmereignisse die teuersten Naturgefahren in Deutschland sind. Sie machen 75% des volkswirtschaftlichen Gesamtschadens aus. 19% werden durch Flussüberschwemmungen und Sturzfluten, 5% durch weitere atmosphärisch bedingte Gefahren wie Hitzewellen, Frost und Waldbrände verursacht. Erdbeben und Erdrutsche haben in diesen drei Dekaden einen geringen Anteil von 1% zum volkswirtschaftlichen Gesamtschaden beigetragen (Münchener Rück 1999).
Aus diesen Zahlen lässt sich jedoch nicht schließen, dass Erdbeben und Sturmfluten vernachlässigbar sind. Überschlägige Berechnungen schätzen, dass worst-case Ereignisse (z.B. Sturmflut im Raum Hamburg, Starkbeben bei Köln oder Frankfurt) zu volkswirtschaftlichen Schäden in der Größenordnung von mehreren Zehnern Milliarden Euro führen können. So haben beispielsweise paläoseismologische Untersuchungen ein Erdbeben mit einer Momentenmagnitude von 6.7 in der niederrheinischen Bucht in der Nähe von Köln nachgewiesen. Ein Vergleich von Hochwasser- und Erdbebenrisiko für das Stadtgebiet Köln zeigte, dass für Extremereignisse mit kleinen Eintrittswahrscheinlichkeiten (kleiner ca. 200-jährliches Ereignis) die Auswirkungen eines Erdbebens diejenigen eines Hochwassers übertreffen (Grünthal et al. 2006).
Räumlicher und zeitlicher Wirkungsbereich von Naturgefahren
In Abbildung 1 sind mögliche Naturgefahren für Deutschland mit ihren räumlichen und zeitlichen Wirkungsbereichen dargestellt. Ereignisse mit kleinem, lokal begrenztem Einflussbereich von bis zu 10 km sind vor allem konvektive Starkniederschlagsereignisse und Sturzfluten, Gewitter, Blitzschläge und Hagel.
© K. Günther
Sehr lokal wirken auch Lawinen und Erdmassentransporte wie Hangrutschungen, Muren und Bergstürze. Andere Naturgefahren können deutlich größere Gebiete betreffen. So weisen Tornados Zuglängen von bis zu 100 km auf, wohingegen die wirksame Zugbreite meist nicht größer als 500 m ist. Auch Überschwemmungen durch Sturmfluten, wie 1962 in Hamburg und Bremen, oder Flusshochwasser, wie 2002 an Elbe und Donau, sind regional oder über-regional entlang von Küstenabschnitten oder Flusstälern, bis auf mehrere 100 km, wirksam. In diese Kategorie fallen auch Erdbeben, Vulkanausbrüche und magnetische Stürme. Deutschlandweit, also mit Einflussbereichen größer 500 km, wirken Naturgefahren wie Winterstürme mit Windfeldbreiten bis zu 1000 km und Zuglängen bis zu 5000 km. Ebenso sind Kälte- und Hitzewellen auf der Gesamtfläche Deutschlands wirksam. Aus Trockenheit und Dürre können Schäden in der Landwirtschaft ganzer Regionen, beeinträchtigte Binnenschifffahrt und Engpässe in der Stromproduktion durch unzureichende Kühlleistung der aufgewärmten Flüsse resultieren.
Die Dauer von extremen Naturereignissen ist unterschiedlich. Die Zeitskala reicht dabei von wenigen Sekunden bis hin zu Monaten. In den meisten Fällen gilt, dass eine längere Wirkdauer zu höheren Schäden führt. Kurze Ereignisdauern von Sekunden und Minuten haben Blitzschlag, Tornados, Massenbewegungen und Lawinen, sowie Erdbeben und Meteoriteneinschläge. Letztere haben bei extrem kurzer Wirkdauer aber eine so große Energiefreisetzung, dass sie Gebiete von der Größe Deutschlands verwüsten könnten. Davon zeugt das Nördlinger Ries auf der Schwäbischen Alb, ein Einschlagkrater mit 24 km Durchmesser, der vor ca. 14,5 Mio. Jahren entstand (Münchener Rück 1999). Hagel, Starkniederschläge, Sturzfluten, Winterstürme, Waldbrände, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche und magnetische Stürme wirken länger, meist dauern sie Stunden bis hin zu wenigen Tagen an. Einige Tage bis wenige Monate dauern insbesondere Kälte- und Hitzewellen. Vor allem lang anhaltend hohe Temperaturen sind eine große Belastung für das menschliche Herz-Kreislaufsystem und führen immer wieder zu zahlreichen Hitzetoten. So geschehen im Rekordsommer 2003, als von Juni bis August die mittlere Temperatur um 3,4°C über dem klimatologischen Durchschnittswert des Zeitraums 1961-1990 lag. In Deutschland waren 9000, in ganz Europa über 70000 Todesopfer zu beklagen. Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden wurde auf 1,3 Mrd. Euro beziffert (Münchener Rück 2008 und 2009).
Die Schäden durch extreme Naturereignisse sind in den letzten Jahrzehnten global, aber auch in Deutschland dramatisch gestiegen. Zu diesem Anstieg tragen vielfältige Einflüsse bei, wie z.B. zunehmende Besiedlung von gefährdeten Bereichen, Akkumulation von Werten, veränderte Anfälligkeit durch zunehmende Vernetzung unserer Gesellschaft, oder der Klimawandel. Aufgrund der Vielfältigkeit dieser Einflüsse und der Zufälligkeit der verursachenden Naturprozesse ist es bis heute kaum möglich, die einzelnen Anteile der verschiedenen Einflüsse zu beziffern.
Forschende des Alfred Wegener Instituts (AWI) analysieren Daten des letzten Jahrtausends und kommen zum Ergebnis, dass zukünftig Dürren in Deutschland extremer ausfallen könnten.