Wie reagiert die Finanzwirtschaft auf den Klimawandel?
Die Betroffenheit der Finanzdienstleister vom Klimawandel
Zu den erwarteten klimatischen Änderungen infolge des Klimawandels zählen Veränderungen etwa in Temperatur- und Niederschlagsmustern wie auch Veränderungen der Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen wie Stürmen, Starkniederschlägen, Hagelereignissen, Blitzschlägen oder Hoch- und Niedrigwasser. Als Folge dieser Extremereignisse erhöht sich nicht zuletzt das Risiko von wirtschaftlichen Schäden.
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Es wird erwartet, dass diese wetterbedingten Schadensrisiken infolge des Klimawandels zunehmen werden, wenn auch – in Deutschland und weltweit – regional unterschiedlich. Es gilt, diese Veränderungen möglichst zuverlässig zu prognostizieren sowie privatwirtschaftliche und öffentliche Maßnahmen zur Anpassung zu entwickeln.
Die einzelnen Versicherungs-, Kapital- und Kreditmärkte bzw. die entsprechenden Geschäftsfelder der Finanzdienstleister unterscheiden sich deutlich bezüglich der Art der Risiken (Versicherungs-, Kredit-, Investitionsrisiken) und der Zeithorizonte (zwischen Stunden und Tagen bis hin zu Jahren und Jahrzehnten). Abgesehen von solchen prinzipiellen Unterschieden sind die einzelnen Finanzdienstleister und ihre Kunden in unterschiedlichen Regionen Deutschlands, Europas oder der Welt tätig. Bezogen auf die Wahrnehmung und Betroffenheit von Folgen des Klimawandels heißt das: Finanzdienstleister sind von den physischen und wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels in ganz unterschiedlicher Weise betroffen.
- Versicherer und Rückversicherer identifizieren, kalkulieren und versichern die wetterbedingten Schadensrisiken ihrer Kunden. Mit ihrer Übernahme von Risiken helfen sie, Schadensrisiken privatwirtschaftlich abzusichern. Indem sie dies tun, erfüllen sie eine volkswirtschaftlich zentrale Rolle
- Kreditinstitute gewähren Kredite und helfen auf diese Weise, Unternehmen, private und gewerbliche Gebäude oder auch Projekte zu finanzieren. Dazu müssen sie die damit verbundenen Kreditrisiken analysieren und kalkulieren. Die Identifikation von wetterbedingten Schadensrisiken gehört dabei nicht zu den klassischen Aufgaben und Kernkompetenzen des Kreditgeschäftes
- Kreditinstitute und Versicherer sind nicht nur als Kreditgeber und Versicherer tätig. Zugleich treten sie als Investoren oder als Berater von Investoren auf. Aus der Handlungsperspektive von Investoren an der Börse für Unternehmensanteile geht es nicht um die Analyse der physischen Risiken an einzelnen Standorten. Analysten und Investoren dieser Märkte stützen sich vielmehr auf hoch aggregierte Informationen. Aus dieser abstrakten Perspektive rücken dann gegenüber den physischen Folgen des Klimawandels die Chancen und Risiken der Regulierung im Rahmen der internationalen Klimaschutzpolitik in den Vordergrund. Seit etwa zwanzig Jahren analysieren neu gegründete spezialisierte Rating-Agenturen börsennotierte Unternehmen der globalen Aktienmärkte unter Gesichtspunkten der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit und bewerten ihre „Nachhaltigkeits-Performance“. Diese Agenturen sind Dienstleister für Investoren und ihre Analysten, Anlageberater und Fondsmanager
Die Rolle der Finanzwirtschaft bei der Anpassung an den Klimawandel
Infolge des erwarteten Klimawandels werden Anpassungsmaßnahmen erforderlich. Immobilienbesitzer können beispielsweise Maßnahmen zum Schutz ihres Hauses vor steigenden Hochwasserrisiken treffen; Landwirte können durch die Wahl geeigneter Pflanzensorten ihre Produktion an sich ändernde Klimabedingungen anpassen; Hotelbetriebe können durch strategische Neuausrichtungen sich ändernden Klimaverhältnissen Rechnung tragen usw.
Finanzdienstleister hingegen nehmen abstraktere Funktionen ein und leisten keine unmittelbaren Anpassungsmaßnahmen an physische Veränderungen. Im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Anpassung an den Klimawandel kommt der Finanzwirtschaft insgesamt dennoch eine Schlüsselfunktion zu. Durch die bestmögliche Berücksichtigung klimarelevanter Risiken im Rahmen ihrer Finanz- bzw. Versicherungsgeschäfte tragen Finanzdienstleister dazu bei, Anpassungsmaßnahmen in der Realwirtschaft zu forcieren bzw. klimarelevanten Risiken Rechnung zu tragen. Die möglichst exakte Berücksichtigung der jeweiligen Klimarisiken eines Versicherungsnehmers in der Kalkulation von Versicherungsprämien verleiht diesen Risiken ein „Preisschild“. Dies trägt dazu bei, das wirtschaftliche Verhalten von Versicherten hin zur Verminderung klimabezogener Risiken zu forcieren. Ebenso kann die Berücksichtigung entsprechender Risiken im Rahmen von Kreditprüfungen und Investitionsentscheidungen Anreize zur Vermeidung und Verminderung von Klimarisiken in der Realwirtschaft generieren und zur volkswirtschaftlichen Optimierung der Kapitalflüsse beitragen.
Versicherungskunden, Kreditnehmer und Investitionsempfänger stammen aus allen Sektoren der Realwirtschaft, sodass die Finanzdienstleister eine bedeutende Intermediärsfunktion einnehmen. Die Verbesserung ihres Managements klimabezogener Risiken – insbesondere durch eine gesteigerte Verfügbarkeit nutzerorientierter Klimainformationen im Finanzsektor – kann demnach von enormem Nutzen für die gesamtwirtschaftliche Anpassung an den Klimawandel sein. Das heißt, je besser Finanzdienstleister in der Lage sind, die potentiellen Auswirkungen des Klimawandels in der Kalkulation von Versicherungsprämien sowie im Rahmen von Investitions- und Kreditentscheidungen zu berücksichtigen, desto stärker wird auch die Gesellschaft insgesamt davon profitieren.
Im Rahmen des Projektes „Climate Change, Financial Markets and Innovation“ (CFI) hat sich das Sustainable Business Institute (SBI) daher – neben anderen Themen – in besonderem Maße auch mit der Verbesserung von Klima-Informations-Systemen befasst. Zu den bislang veröffentlichten Projektergebnissen zählen insbesondere Informations-Bedarfserhebungen auf nationaler und internationaler Ebene, eine Analyse der Kundenerwartungen an die „Klimakompetenz“ der Finanzinstitute sowie ein Workshopbericht zur vertieften Analyse eines spezifischen Informationsbedarfs bzgl. konvektiver Extremwetterereignisse.
Die Klimasensitivität und damit auch die Betroffenheit finanzwirtschaftlicher Akteure vom Klimawandel ist also sehr vielfältig und hängt davon ab, in welchen Regionen und Sektoren ein einzelner Finanzdienstleister tätig ist sowie von der Art des geschäftlichen Engagements.
- Stadtplanung: Gewerbeflächen im Klimawandel
- Wie klimasicher ist die Energieversorgung in Deutschland?
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- Wie kommt der Klimawandel auf die unternehmenspolitische Tagesordnung?
- Entscheidungsunterstützung bei der Klimaanpassung
- Das Projekt eukas: Entwicklung unternehmensbezogener Klimaanpassungsstrategien
- Chancen der Klimaanpassung: eine neue Innovationspotenzialanalyse
- Sustainable Business Institute (SBI) e.V. (Hrsg.), 2009: Klima-Informations-Systeme gemeinsam weiterentwickeln: Anforderungen an das Climate Service Center (CSC) aus Sicht der Finanzwirtschaft, Oestrich-Winkel
- Sustainable Business Institute (SBI) e.V. / UNEP Finance Initiative (Hrsg.), 2011: Advancing adaptation through climate information services: Results of a global survey on the information requirements of the financial sector. Oestrich-Winkel / Genf
- Sustainable Business Institute (SBI) e.V. (Hrsg.), 2010: Herausforderung Klimakompetenz: Kundenerwartungen an Finanzdienstleister - Ergebnisse einer Befragung von Privat- und Geschäftskunden, Oestrich-Winkel
- Guy Brasseur / Paschen von Flotow (Hrsg.), 2010: Klimafolgenforschung zur Beurteilung der Auswirkungen von konvektiven Extremwetterereignissen auf die Schadenlast in Deutschland. Hamburg